Kommunikation auf dem Schiff

 

Also, das mit der Kommunikation auf dem Frachtschiff ist, wie bereits erwähnt, so eine Sache für sich.
Zum einen hat man ein Sprachengewirr babylonischen Ausmaßes, das sich dadurch verschärft, dass die Sprache, die als „Verkehrssprache“ fungiert (in diesem Fall Englisch), nur mehr oder weniger gut beherrscht wird. D.h. schlechtes italienisches Englisch trifft u.U. auf mäßiges französisches, deutsches, spanisches, bulgarisches, philippinisches und/oder serbisch-schweizerdeutsches Englisch. Was wiederum bedeutet, dass das Prinzip „Stille Post“ hervorragend funktioniert. Quasi Stille Post für Fortgeschrittene. Zwischendurch kursieren auf allen Ebenen die wildesten Gerüchte.

Erstaunlicherweise waren sich aber alle, vom bulgarischen Ingenieur bis zum philippinischen Matrosen, über den Geisteszustand unseres Chiefmates einig.
Um wieder unseren italienischen Stewart Giovanni zu zitieren: „Chiefmate is totally crazy!!!“ (+ dazugehörige rollende Augenbewegung und kreisender Zeigefinger in Schläfennähe).

Und wahrlich, die zwischenmenschlichen Fähigkeiten unseres Chiefmates sind durchaus ausbaufähig.p1110068
Wie soll ich ihn beschreiben?
Er sieht aus wie ein Mischung aus George Clooney und John Cleese, regt sich auf wie Louis de Finès, ist so launisch wie Klaus Kinski und gestikuliert wie das italienische Pausenfüller-Strichmännchen La Linea bzw. Lui (das mit der großen Nase aus dem Vorabendprogramm der 80ger, wisst ihr, wen ich meine?). Ich habe noch nie jemanden gesehen, dessen Gesichtsausdruck sich dermaßen schnell von freundlich in Richtung verachtend und wieder zurück verwandelt, ohne, dass er das irgendwie unter Kontrolle zu haben scheint. Vom psychologischen Standpunkt aus gesehen äußerst interessant, aus Angestelltensicht (immerhin ist er in der Frachtschiff-Hierarchie ziemlich weit oben) eine absolute Katastrophe!
Beispiel gefällig? An unserem letzten Tag wurden alle Passagiere um 7:00 (!) – normalerweise ist Frühstück ab 7:30 – hektisch geweckt, mit der Aufforderung jetzt und sofort das (gepackte!) Auto von Bord zu fahren. Aha. Interessant. Allerdings war niemand darüber informiert. Hätte man ja mal am Tag vorher machen können (v.a., da der Chiefmate am Abend vorher, als er an unserem letzten bunten Abend für Passagiere die offene Tür unseres Aufenthaltsraumes passierte, den Kopf reinsteckte und allen zuwinkte). Der arme bulgarische Kadett, der uns aufscheuchen musste, entschuldigte sich tausendmal bei uns (s.o.: „Chiefmate is totally crazy!“ usw.) und versuchte netterweise Zeit herauszuschinden – aber über sein Walkie-Talkie konnte man das hysterische Gebrülle des Chiefmates hören, dem alles nicht schnell genug ging… Gott sei Dank waren wir aber nach 5 Wochen Frachtschifffahrt mehr als tiefenentspannt, so dass wir über die abstruse Situation ziemlich lachen mussten und unsererseits versuchten, den armen bulgarischen Kadetten zu entstressen.

Daher ist es verständlich, dass die Crew an Bord möglichst wenig miteinander redet (Ausnahme: Giovanni – Stichwort: wilde Gerüchte…) und das Nötigste mit Symbolen und Gebärden (Unterstützte Kommunikation! Gruß an die Kolleg-en und -innen!) in Form von Plakaten und Aufklebern geregelt ist – damit erspart man sich ggf. nämlich jede Menge sinnloses Gebrüll.

Zarate/ Argentinien

 

Es hat einen Grund, warum Zarate in keinem Argentinien-Reiseführer auftaucht:
hier gibt´s zwar einen großen Frachtschiffhafen und viel Industrie, aber das war´s dann auch! Was wir bei unserem Landgang von Zarate sehen, wirkt (auf uns Touristen) ziemlich trostlos. (Obwohl unser Taxifahrer Ramon* auf die die Frage, was es in Zarate eigentlich so gibt, antwortete: Hay todos! sprich: Hier gibt´s alles!)
Also beschließen wir, uns mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Tigre, einer kleinen Stadt im Flussdelta des Rio Paraná zu begeben und dort unseren schilffreien Tag zu verbringen. Nach einer ziemlichen Odyssee mit Taxis und diversen Buslinien kommen wir, 8 Passagiere der Grande Nigeria, nach zwei Stunden in Tigre an.

Tigre ist ein beliebtes Ausflugsziel für die Bewohner von Buenos Aires. Von hier aus kann man Ausflüge auf kleinen Booten durch´s Flussdelta mit viel Natur (+ vielen Moskitos) machen. Das Delta del Paraná ist ziemlich groß: es gibt über 600 (!) Schulen, ausschließliche Fortbewegungsmittel sind (sehr laute!) Boote, die Häuser stehen auf Stelzen und Flora und Fauna sind vielfältig.
Da wir uns aber mittlerweile seit über vier Wochen auf ´nem Schiff befinden, verzichten wir ausnahmsweise mal auf eine Bootsfahrt und besichtigen stattdessen die Stadt. Leider sind das Mate-Museum und der „Mercado de frutos“, Argentiniens größter Markt unter freiem Himmel, dienstags geschlossen, so dass wir uns ein nettes Restaurant am Flussufer des Paraná suchen und dort unser Mittagessen einnehmen. Es gibt eine Art Asado, mit allen Teilen, die ein Tier so hergibt (von Leber, Darm, Nieren über Blutwurst bis zu diversen Fleischstücken), serviert auf einem mit Holzkohle befeuerten Minigrill, der am Tisch weiter vor sich hin brutzelt. Vorteil: Das Essen bleibt schön heiß, weil quasi direkt vom Grill. Nachteil: Das Fett spritzt dabei ordentlich auf die Kleidung (Burkhards Jacke sieht aus wie Sau – aber er saß ja auch in Wind-Fett-Kanal…).
Zum Nachtisch gibt´s ein leckeres Eis aus der Eisdiele nebenan. Dulce de leche – si, claro!
* P.S.: Mit Ramon bzw. im Taxi von Ramon sind wir von Tigre nach Zarate zurückgefahren.
Ramon ist stolze 75 Jahre alt, hält große Stücke auf Deutsche (sehr fleißig, gute Arbeitshaltung und schnelle Autos) und erzählt, dass er vor ein paar Jahrzehnten mal eine deutsche Freundin namens Erika Schulz hatte. Überbleibsel dieser Beziehung sind noch einige deutsche Zahlen und ein paar Worte wie „alles klar“, „punktlich“ und „auf Wiedersehen“. War wohl eher ´ne technische Liaison.

Rio de Janeiro / Brasilien

Um 5:00 morgens sind von Deck aus schon die Wahrzeichen unseres nächsten Stopps zu sehen:
zuerst der Corcovado mit der gigantischen Christus-Statue und dann auch der Pao de Acúcar, der Zuckerhut. Ganz klar: da vorne liegt Rio!
(Und dank der Zeitverschiebung (mittlerweile fünf Stunden hinter der europäischen Zeit zurück), ist frühes Aufstehen selbst für Langschläfer wie Christine überhaupt kein Thema mehr.)

Da wir nur 9 Stunden Liegezeit in Rio haben, organisiert der Kapitän über einen Freund vor Ort ein zackiges Touristenprogramm für uns Passagiere.
Mit dabei sind Maria-Carmen & Julien, Biljana & Christoph und Martine & Daniel.

Zügig und halsbrecherisch geht es im Mini-Bus durch die Stadt:
das Maracana-Stadion (78 838 Sitzplätze), die nagelneue Plaza Nueva mit ihren großen olympischen Lettern, das Kloster Mosteiro de Sao Bento (16.Jhd, viel Gold und Holzschnitzereien), die Cathedral Metropolitana (im Volksmund „Bienenarsch“, modernistischer Bau mit viel Beton, 20 000 Sitzplätze) das Künstlerviertel Santa Teresa mit der Escadaria do Selarón (aus 2000 Fliesen gestaltete Treppe mit 215 Stufen das chil. Künstlers Jorge Selarón, schön bunt), zwischendurch kann man einen Blick auf die Straßen des gut besuchten Mercado Popular, das Sambódromo (Karneval! 77 800 Sitzplätzen; Eintrittskarten:100€ – 3000 €), diverse Museen und die Favelas an den Hängen der Stadt werfen.
Überall sind Spuren des paralympischen Rahmenprogramms oder paralympische Delegationen zu sehen – und wir treffen auch auf deutsche Fans, die ganz begeistert von den Spielen berichten.

Nach dem Besuch des Corcovado mit seiner Christusstatue (seit 2007 eines der neuen sieben Weltwunder) und einem atemberaubenden Blick über Rio, geht es an die Copacabana – nicht, um die Bikinifigur zu zeigen, sondern um was zu essen.
Nach dieser Ochsentour sind alle platt und haben einen Bärenhunger. Wir besuchen eine „Churrascaria“: d.h. es gibt ein Buffet mit Beilagen und Salaten und man bekommt so oft von langen Spießen eine Fleischsorte nach der anderen auf den Teller geschnitten, bis man abwinkt. (Nix für Vegetarier!) Die Caipirinhas und der ein oder andere Cachaca tun ihr Restliches dazu und so kehren wir zwar etwas zu spät, aber sehr beschwingt zum Frachtschiff zurück. Die große Brücke ist schon eingeklappt, aber wir kommen noch durch den kleinen Seiteneingang rein. Der Chiefmate begrüßt uns auf Deck 12 mit erhobenen Armen und Samba-singend als er uns sieht. Normalerweise ist er nicht gerade für seine gute Laune bekannt, aber anscheinend hat er heute auch Ausgang gehabt.
Wir lassen den Abend mit alkoholischen Getränken aus unseren geheimen Vorräten an Deck und einem wehmütigen Blick auf das nächtliche Rio ausklingen.

Vitória / Brasilien

 

Die Küste von Vitória begrüßt uns mit abwechslungsreichen Bildern: während wir noch in Sichtweite der Stadt auf den „Pilot“ warten, der uns durch die Küstengewässer bis in den Hafen lotsen soll, können wir Wale beim Auf-, Abtauchen, Springen und Drehen beobachten. Ein wundervolles Spektakel!

Bei der Einfahrt in die Gewässer von Vitória stellt sich zum ersten Mal ein richtiges Urlaubsgefühl ein und es wird quasi visuell greifbar, dass wir mittlerweile ziemlich weit von Europa entfernt sind. Die Küste besteht aus einem wilden Mix glitzernder, moderner Hochhäuser, bunter, kleiner Hütten, hier und da ein Strand, kleine grüne Inseln im türkisen Meer, vor uns taucht eine hohe, lange Brücke auf und immer wieder fahren wir sehr dicht an beeindruckenden Felsformationen vorbei.

In Vitória angekommen, nehmen wir gemeinsam mit Maria-Carmen und Julien unseren nächsten Landgang in Angriff, verlassen wieder mit einer blassen Kopie unseres Reisepasses das Hafengelände und steigen ins nächste Taxi ein. Mit uns hat auch ein Teil der Crew Landgang, die anscheinend bestens seit Jahren mit den „Taxistas“ bekannt ist (das Bild von „in jedem Hafen eine Braut“ können wir hiermit bestätigen!).

Unser Wunsch ist es, irgendwo in Vitória in einen Kaffee zu trinken und Internet zu haben, um ein Lebenszeichen nachhause schicken zu können.
Ok. Das Taxi fährt los.
Aber zuerst geht´s zum Geldwechseln in eine dubiose, überdachte Häuserpassage am Rande des Zentrums. Es gibt hier mehrere kleine Läden, teilweise mit langen Warteschlangen. Julien und Burkhard schauen sich ratlos an und reihen sich in die erstbeste ein, bis sie vom Taxista – der mittlerweile Stewart, Koch und Kadett der Grande Nigeria, die ebenfalls hier sind, herzlich begrüßt hat – kopfschüttelnd an den richtigen Schalter (ohne Schlange) gestellt werden. Die gut besuchten Schalter sind allesamt Loterías und anscheinend in Brasilien sehr beliebt.

Auf einer rasanten Fahrt zwischen Autos, LKWs, Eselskarren und Motorradfahrern entfernen wir uns anschließend merkwürdigerweise immer weiter von Vitória-City. Auf Nachfrage teilt uns der Taxista mit, dass seiner Meinung nach der beste Platz in der Stadt für Kaffeetrinken und WIFI die moderne Shopping-Mall außerhalb Vitórias sei. Vitória selber sei zu heiß, zu schmutzig, zu altmodisch, zu gefährlich und überhaupt… (- und wahrscheinlich auch viel zu nah am Hafen und somit finanziell uninteressant).
So landen wir also vorerst in einem auf Kühlschranktemperatur klimatisierten Einkaufszentrum mit vielen Läden, u.a. auch einer Lotería inkl. Warteschlange, Restaurants (Mc Donalds, Burger King und Co), einer brasilianischen Bierstube und WIFI (funktioniert allerdings nur sehr mäßig…).
Uns der neuen Situation anpassend, schwenken wir daher spontan von Kaffee auf Bier um und trinken uns durch die verschiedenen brasilianischen Biersorten. Auch schön. Und lecker! Wer braucht schon das „Centro historico“ von Vitória?*

Als unser Taxista uns nach ein paar Stunden tiefgekühlt und bierselig im Einkaufszentrum wieder abholt, beschließen wir diesmal, genauer zu wünschen:
wir wollen in ein sehr gutes Restaurant mit brasilianischem Essen, am besten Fisch und zwar IN Vitória! Und siehe da, diesmal klappt´s!

P.S.:
Mittlerweile habe ich mir von Biljana den Dumont-Reiseführer Brasilien ausgeliehen. Und was steht da drin?
Vitória sei quasi die Miniaturausgabe von Rio, das historische Zentrum sehr sehenswert und das Leben sei für brasilianische Verhältnisse ruhig und geregelt, z.B. fährt bei Rot niemand über die Ampel (naja, letzteres können wir von unserem Fahrer jetzt wirklich nicht behaupten…). Schade – vielleicht beim nächsten Mal. Aber das Einkaufszentrum kennen wir schon mal.

P.P.S.:
Und um den Ruf unseres Taxifahrers zu retten: laut Dumont waren wir wirklich im besten Fisch-Restaurant der Stadt essen! Und es war richtig klasse!

Atlantiküberfahrt

Von Dakar aus setzen wir zum Sprung über den großen Teich an.

Kaum haben wir den Hafen verlassen, ziehen Wolken auf, es regnet und die Wellen werfen uns an den folgenden Tagen etwas hin und her, was sich bald aber wieder legt.
Die befürchtete Seekrankheit hält sich Gott sei Dank in Grenzen!

Wir verbringen unsere Zeit mit:
div. Reiseführer lesen, auf´s Meer gucken, Versuchen, die Schwärme von fliegenden Fischen zu fotografieren (erfolglos! zu schnell und zu klein!) und Wäsche waschen (erfolgreich und dringend notwendig). In Äquatornähe tauchen Seeschwalben auf, die das Schiff immer wieder ein Stück begleiten und uns abenteuerliche Flugkunststücke zeigen.
Außerdem können wir das Herz des Schiffes, den Maschinenraum, besichtigen. Die dazugehörigen bulgarischen Ingenieure, die allesamt am Schwarzen Meer wohnen, erklären uns alles ausführlich, geduldig und sehr freundlich (- an dieser Stelle nehmen wir alle hier jemals gemachten Vorurteile gegen Bulgaren zurück und behaupten das Gegenteil!).
Nicht zu vergessen: gemeinsam mit unseren Lieblingsbasken, Maria-Carmen und Julien, waren wir auch mal „unbeaufsichtigt“ auf der Brücke (allerdings noch im Hafen von Dakar). Sowas verleitet direkt dazu, nur noch Blödsinn zu machen: mal ein paar Knöpfe drücken, was anderes auf´s Whiteboard schreiben, kurz mal aus dem Hafen fahren… haben wir natürlich nicht gemacht – waren aber kurz davor!

Die Äquatorüberquerung wird mit einem gemeinsamen Asado, quasi einem Grillabend, feierlich begangen.
Am Nachmittag werden zwei Grills auf Deck festgezurrt, Holz herbei geschleppt und das Ganze wird vom italienischen Chiefmate mit Leuchtraketen angezündet, bis es richtig Feuer gefangen hat. (Der Chiefmate hat später dann auch persönlich (und mit sichtlichem Vergnügen) gegrillt und weder Antonio noch Burkhard an die Grillzange gelassen!)

Anschließend wird eine große Tafel mit weißen Tischdecken aufgebaut, alles ebenfalls festgezurrt (der Wind bläst noch ordentlich!) und dann passt das schon. Teller, Besteck & Gläser werden erst kurz vorher gedeckt… sicher ist sicher.
Am Abend kommen dann alle zum Essen zusammen: die bulgarischen Ingenieure, die italienischen Offiziere und Kadetten, die philippinischen Matrosen und die französisch-spanisch-schweizerdeutschen Passagiere, um gemeinsam Reis, Pommes, Würstchen & totes Tier zu essen.
Als Tischdame des Kapitäns erfahre ich ein paar interessante Dinge: er arbeitet mittlerweile seit 11 Jahren als Frachtschiffkapitän (immer im Turnus 4 Monate auf See /2 Monate zuhause); er ist gebürtiger Sizilianer, lebt aber in Brasilien; alle 4 Monate setzt sich die Mannschaft quasi komplett neu zusammen; die philippinischen Matrosen arbeiten im Turnus 8 Monate auf See /2 Monate zuhause; der Frachter tankt immer in Hamburg oder Antwerpen, weil dort der Kraftstoff am besten ist; argentinische Häfen sind chaotischer als afrikanische.
Anschließend packen wir noch auf Wunsch des Chiefmates Gitarre & Liederbücher aus und es wird gemeinsam bei Sonnenuntergang bzw. in der Dämmerung gesungen und getrunken. Mittlerweile können wir uns fast schon ein Leben als Frachtschiffmusikanten vorstellen.

Nach weiteren drei Tagen auf See, bereits kurz vor der brasilianischen Küste, sichten wir die ersten Orcas und Wale.
Teilweise tauchen sie sogar in unmittelbarer Nähe unseres Frachters auf, um mal kurz Luft abzulassen. Andere bleiben in sicherer Entfernung, drehen sich mit viel Schwung um die eigenen Achse und lassen sich wieder ins Wasser platschen. Wir sind beeindruckt.

Auch die obligatorische Feueralarm- bzw. Das-Schiff-sinkt-Übung absolvieren wir erfolgreich: alle Passagiere sammeln sich am Rettungstreffpunkt, besteigen das Rettungsboot, lassen sich erklären, wie man es startet, wo sich die Notration Essen/Wasser befindet und wie man sich korrekt anschnallt. Währenddessen übt der Rest der Crew Löschen, Erste Hilfe und Strammstehen.

Ihr seht, auf so einer Frachtschifffahrt ist immer was los. Langweilig wird´s hier nie!

P.S.:
Zum Abschluss unserer Atlantiküberquerung haben wir übrigens noch ein Passagier-Tischfußballturnier ausgerichtet. (Typisch Burkhard! Von einem bunten Abend mit Sackhüpfen und Eierlauf konnte ich ihn gerade noch so abbringen!)
Unglaublicher Weise kamen wir trotz vier linker Hände auf Platz 2. Die Schweiz war dann doch besser- sozusagen das Wunder von Zürich. Das Baskenland belegte Platz 3, und France 2 und France 1 die restlichen Plätze.
Zur Feier des Tages gab´s den Rest vom Bier der Äquatorüberquerung.

Dakar / Senegal

Dakar/Senegal

 

In Dakar ist es heiß. Sehr heiß. Als wir morgens um 8:30 zu unserem Tagesausflug aufbrechen, zeigt das Thermometer schon 32 Grad an. Zusammen mit Maria-Carmen & Julien, Robert & Michelle haben wir es endlich geschafft, das Schiff zu verlassen. Cargo geht vor- so ist das halt auf einem Frachtschiff. Unser „Ausweis“ ist eine schlechte Kopie unseres Reisepasses, die vom Zoll abgestempelt wurde. Sieht ziemlich popelig aus. Mal schauen, ob wir damit auch wieder in den Hafen reinkommen.

Unser Ziel ist die Ile de Gorée, Unesco Weltkulturerbe seit über 40 Jahren.

Nachdem wir in der Nähe des Ticketverkaufs erfolgreich Geld getauscht haben, bietet uns Babaku, ein junger Senegalese und offizieller Tourismus-Guide, eine Inseltour an. Er spricht sehr gut französisch, macht einen netten Eindruck und wir stimmen zu.

In der klimatisieren Wartehalle werde ich (als Frau) wiederholt von bunt gekleideten und geschminkten Frauen mit viel Schmuck angesprochen: sie stellen sich vor, fragen nach meinem Namen und erwähnen so ganz nebenbei, dass sie eine Boutique auf Gorée betreiben, und ich unbedingt vorbeikommen solle. Nicht vergessen! Unbedingt vorbeikommen! Mittlerweile schwirrt mir der Kopf vor so viel Namen, aber die Damen scheinen das zu wissen, denn auf der Bootsfahrt tauchen sie immer wieder plötzlich und unvermittelt auf, bringen sich in Erinnerung und fragen mich sogar, ob ich ihre Namen noch weiß. Wow – die Boutiquendichte auf Gorée scheint enorm zu sein!

(Rückblickend hätte ich auf den Standard-Satz „Bonjour, je m´appelle Sonja/Marie/Michelle…et j´ai une boutique à Gorée.“ besser geantwortet „ Bonjour, je m´appelle Christine et (malheureusement) je n´achète rien.“ geantwortet, aber im Nachhinein ist man ja immer schlauer… Kurz gesagt: wir konnten uns in den Boutiquen letztendlich auf keinen Kauf einigen- und außerdem habe ich Kaufverbot, da nichts mehr in den Cruiser passt.)

Die Ile de Gorée ist ziemlich klein (ca. 750m x 350m – also ungefähr viermal so groß wie unser Frachter) und liegt 20 Bootsminuten von Dakar entfernt. Ich nutze die Gelegenheit, um mich näher mit Babaka zu unterhalten. Er erzählt mir zum Beispiel, dass er vier Frauen hat. Auf mein entsetztes „Was? Vier Frauen???“ antwortete er ganz entspannt „Klar! Dein Mann etwa nicht?“. Auf meine Gegenfrage, ob die Frauen denn dann auch jeweils vier Männer hätten, reagiert er ähnlich fassungslos wie ich und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie eine junge Senegalesin, die unser Gespräch verfolgt, sich im gleichen Moment die Hände vor´s Gesicht schlägt – frei nach dem Motto „Oh nein, diese Frage ist ja wohl oberpeinlich!“.

Außerdem erfahre ich von Babaka, dass: im Senegal ca. 14 Millionen Menschen leben, davon 7 Millionen in Dakar; es mit dem Tourismus dieses Jahr nicht so toll läuft (wegen der Terroristen); er natürlich gut für seine vier Frauen sorgt; er Burkhard sehr bedauere, da er nur eine Frau hat (Ganz toll! Danke auch!); 95 % der Senegalesen Muslime sind; in den letzten Jahren immer mehr afrikanische Touristen (Mali, Somalia…) den Senegal besuchen; es auch noch andere religiöse Gruppen im Senegal gäbe, die so monogam lebten wie wir (- und im Nebensatz: Die Armen! La porte est fermée!)

Unser Ausflugsschiff ist randvoll bepackt mit Luftmatratzen, Wasserkanistern, Familien mit kleinen Kindern, Sonnenschirmen, Picknickschüsseln, Grills und Badeärmchen – schließlich ist Wochenende und die Hitze an Land unerträglich. An Bord gibt es außerdem zwei Verbotsschilder: „Tam-Tam interdit!“ und „Commerce interdit!“.

Da die Sonne ziemlich runterknallt, öffnet Babaku seinen Regenschirm, um seiner vierten Ehefrau, die ganz zufällig neben ihm sitzt, und ihrer Freundin Schatten zu spenden. Ehefrau Nummer vier ist ziemlich aufgedonnert (trotz Hitze phänomenal geschminkt, goldene Sonnenbrille und geglättete Haare) und macht Selfies mit ihrem weißen I-Pad. Das Geschäft scheint zu laufen – Babakus Frau(en) geht’s nicht schlecht.

Auf der Insel angekommen, macht Babaku erst einmal den anschließenden Restaurantbesuch klar. Danach beginnt die Besichtigungstour und wir erfahren mehr über die Ile de Gorée:

Sie hat dadurch traurige Berühmtheit erlangt, dass dorthin drei Jahrhunderte lang Frauen, Kinder und Männer (insgesamt unvorstellbare 15 Millionen!) aus ganz Afrika verschleppt und von Afrikanern als Sklaven an die Europäer verkauft wurden, die sie wiederum nach Süd- und Nordamerika weiter verkauften.

Eines der ehemaligen Sklaven-Häuser („Maison des esklaves“ mit dem „Port of no return“) beherbergt ein Museum, in dem man u.a. die Gefängnisräume der Sklaven (aufgeteilt in: hommes, femmes, jeune femmes, jeune hommes, enfants) begehen und sich ein Stockwerk höher in Wort und Bild über die Historie informieren kann. Ich fand den Ort so bedrückend, dass ich unfähig war, Fotos davon zu machen.

Neben diesen historischen Stätten, die an die Grausamkeit der Sklaverei erinnern und zeigen wozu der Mensch fähig ist, bietet die Insel nichtsdestotrotz in unmittelbarer Nähe einen beliebten Badestrand und jede Menge Krimskramsstände mit Tüchern, Schmuck, Sandbildern, afrikanischen Masken, Musikinstrumenten, T-Shirts, Sonnenbrillen usw. (die berüchtigten Boutiquen!).

Für uns als Europäer (vielleicht auch speziell für uns als Deutsche) ist diese Mischung irgendwie etwas gewöhnungbedürftig: es fühlt sich in etwa so an, als befände sich direkt neben Auschwitz ein sehr beliebter Vergnügungspark.

Abschluss unserer Besichtigungstour ist der gemeinsame Restaurantbesuch. Wir sitzen auf der Terrasse im Schatten, direkt neben dem bzw. mit Blick auf den gut besuchten Badestrand. Bunte Sonnenschirme, planschende, juchzende Kinder im Wasser, Jugendliche mit Smartphones, im Schatten eine Familie mit ca, 8 Kindern, die gemeinsam aus einem riesigen Wok eine Mischung aus Couscous und Paella essen (sieht total lecker aus!), dürre, streunende Katzen, die sich ein paar Abfälle erhoffen und dreiste Mücken, die in nullkommanix alles belagern, was nach Essen aussieht.

Unser bestelltes Menü im Restaurant ist auch lecker: es gibt Calamares als Vorspeise, gegrillter Thiof (regionaler Meeresfisch) + Reis + eine Art süße Zwiebelmarmelade (mit Lorbeerblatt, Rosinen, Koriander) & als Nachtisch flambierte Ananas mit viel Rum.

Dank Fächer kann ich die Mücken alle prima vom Teller wedeln. Nachteil: Burkhard und ich müssen abwechselnd essen: einer isst, einer wedelt.

Danach geht’s wieder zurück nach Dakar.

Wir sind ganz beseelt von diesem schönen Tagesausflug und den vielfältigen Eindrücken. Es ist, wie Olivier uns zwei Tage vorher an Bord gesagt hat: die Menschen hier seien offen, nicht aggressiv, sehr kontaktfreudig (manchmal nervig, wenn sie was verkaufen wollen), aber Reisen im Senegal sei prinzipiell sicher – abgesehen von gelegentlichen Taschendiebstählen könne man sich als Ausländer dort frei und problemlos bewegen.

Apropos Taschendiebstahl…

Wir sind also auf dem Weg zurück zum Hafen. Immer wieder werden wir von diversen Verkäufern angesprochen, ob wir Sonnenbrillen wollen oder ein Taxi oder Zeitungen oder etwas ähnliches.

Ca. 400 m vor dem Hafeneingang tauchen drei Typen auf, die unsere Gruppe umschwirren, immer hin und her, zwischen uns laufen, uns bequatschen – irgendwie ist alles etwas merkwürdiger und lästiger als die ganze Zeit vorher. Plötzlich sind sie wieder verschwunden – und mit ihnen Burkhards Handy! Aus seiner Hochsicherheits-mich-klaut-niemand-Tasche! Verdammt! Wir sind gerade mal noch ein paar Schritte vom Hafeneingang entfernt, als Burkhard es merkt. Aber zu spät! Keine Chance – die Typen sind über alle Berge und unser Schiff startet auch in wenigen Stunden. Aus Rache verfluchen wir sie auf spanisch, französisch und deutsch bis an ihr Lebensende und Karma besorgt hoffentlich den Rest.

Aber wie sagt der Engländer so schön: „Shit happens!“ oder unser italienischer Stewart: „Stronzo!“