Dakar / Senegal

Dakar/Senegal

 

In Dakar ist es heiß. Sehr heiß. Als wir morgens um 8:30 zu unserem Tagesausflug aufbrechen, zeigt das Thermometer schon 32 Grad an. Zusammen mit Maria-Carmen & Julien, Robert & Michelle haben wir es endlich geschafft, das Schiff zu verlassen. Cargo geht vor- so ist das halt auf einem Frachtschiff. Unser „Ausweis“ ist eine schlechte Kopie unseres Reisepasses, die vom Zoll abgestempelt wurde. Sieht ziemlich popelig aus. Mal schauen, ob wir damit auch wieder in den Hafen reinkommen.

Unser Ziel ist die Ile de Gorée, Unesco Weltkulturerbe seit über 40 Jahren.

Nachdem wir in der Nähe des Ticketverkaufs erfolgreich Geld getauscht haben, bietet uns Babaku, ein junger Senegalese und offizieller Tourismus-Guide, eine Inseltour an. Er spricht sehr gut französisch, macht einen netten Eindruck und wir stimmen zu.

In der klimatisieren Wartehalle werde ich (als Frau) wiederholt von bunt gekleideten und geschminkten Frauen mit viel Schmuck angesprochen: sie stellen sich vor, fragen nach meinem Namen und erwähnen so ganz nebenbei, dass sie eine Boutique auf Gorée betreiben, und ich unbedingt vorbeikommen solle. Nicht vergessen! Unbedingt vorbeikommen! Mittlerweile schwirrt mir der Kopf vor so viel Namen, aber die Damen scheinen das zu wissen, denn auf der Bootsfahrt tauchen sie immer wieder plötzlich und unvermittelt auf, bringen sich in Erinnerung und fragen mich sogar, ob ich ihre Namen noch weiß. Wow – die Boutiquendichte auf Gorée scheint enorm zu sein!

(Rückblickend hätte ich auf den Standard-Satz „Bonjour, je m´appelle Sonja/Marie/Michelle…et j´ai une boutique à Gorée.“ besser geantwortet „ Bonjour, je m´appelle Christine et (malheureusement) je n´achète rien.“ geantwortet, aber im Nachhinein ist man ja immer schlauer… Kurz gesagt: wir konnten uns in den Boutiquen letztendlich auf keinen Kauf einigen- und außerdem habe ich Kaufverbot, da nichts mehr in den Cruiser passt.)

Die Ile de Gorée ist ziemlich klein (ca. 750m x 350m – also ungefähr viermal so groß wie unser Frachter) und liegt 20 Bootsminuten von Dakar entfernt. Ich nutze die Gelegenheit, um mich näher mit Babaka zu unterhalten. Er erzählt mir zum Beispiel, dass er vier Frauen hat. Auf mein entsetztes „Was? Vier Frauen???“ antwortete er ganz entspannt „Klar! Dein Mann etwa nicht?“. Auf meine Gegenfrage, ob die Frauen denn dann auch jeweils vier Männer hätten, reagiert er ähnlich fassungslos wie ich und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie eine junge Senegalesin, die unser Gespräch verfolgt, sich im gleichen Moment die Hände vor´s Gesicht schlägt – frei nach dem Motto „Oh nein, diese Frage ist ja wohl oberpeinlich!“.

Außerdem erfahre ich von Babaka, dass: im Senegal ca. 14 Millionen Menschen leben, davon 7 Millionen in Dakar; es mit dem Tourismus dieses Jahr nicht so toll läuft (wegen der Terroristen); er natürlich gut für seine vier Frauen sorgt; er Burkhard sehr bedauere, da er nur eine Frau hat (Ganz toll! Danke auch!); 95 % der Senegalesen Muslime sind; in den letzten Jahren immer mehr afrikanische Touristen (Mali, Somalia…) den Senegal besuchen; es auch noch andere religiöse Gruppen im Senegal gäbe, die so monogam lebten wie wir (- und im Nebensatz: Die Armen! La porte est fermée!)

Unser Ausflugsschiff ist randvoll bepackt mit Luftmatratzen, Wasserkanistern, Familien mit kleinen Kindern, Sonnenschirmen, Picknickschüsseln, Grills und Badeärmchen – schließlich ist Wochenende und die Hitze an Land unerträglich. An Bord gibt es außerdem zwei Verbotsschilder: „Tam-Tam interdit!“ und „Commerce interdit!“.

Da die Sonne ziemlich runterknallt, öffnet Babaku seinen Regenschirm, um seiner vierten Ehefrau, die ganz zufällig neben ihm sitzt, und ihrer Freundin Schatten zu spenden. Ehefrau Nummer vier ist ziemlich aufgedonnert (trotz Hitze phänomenal geschminkt, goldene Sonnenbrille und geglättete Haare) und macht Selfies mit ihrem weißen I-Pad. Das Geschäft scheint zu laufen – Babakus Frau(en) geht’s nicht schlecht.

Auf der Insel angekommen, macht Babaku erst einmal den anschließenden Restaurantbesuch klar. Danach beginnt die Besichtigungstour und wir erfahren mehr über die Ile de Gorée:

Sie hat dadurch traurige Berühmtheit erlangt, dass dorthin drei Jahrhunderte lang Frauen, Kinder und Männer (insgesamt unvorstellbare 15 Millionen!) aus ganz Afrika verschleppt und von Afrikanern als Sklaven an die Europäer verkauft wurden, die sie wiederum nach Süd- und Nordamerika weiter verkauften.

Eines der ehemaligen Sklaven-Häuser („Maison des esklaves“ mit dem „Port of no return“) beherbergt ein Museum, in dem man u.a. die Gefängnisräume der Sklaven (aufgeteilt in: hommes, femmes, jeune femmes, jeune hommes, enfants) begehen und sich ein Stockwerk höher in Wort und Bild über die Historie informieren kann. Ich fand den Ort so bedrückend, dass ich unfähig war, Fotos davon zu machen.

Neben diesen historischen Stätten, die an die Grausamkeit der Sklaverei erinnern und zeigen wozu der Mensch fähig ist, bietet die Insel nichtsdestotrotz in unmittelbarer Nähe einen beliebten Badestrand und jede Menge Krimskramsstände mit Tüchern, Schmuck, Sandbildern, afrikanischen Masken, Musikinstrumenten, T-Shirts, Sonnenbrillen usw. (die berüchtigten Boutiquen!).

Für uns als Europäer (vielleicht auch speziell für uns als Deutsche) ist diese Mischung irgendwie etwas gewöhnungbedürftig: es fühlt sich in etwa so an, als befände sich direkt neben Auschwitz ein sehr beliebter Vergnügungspark.

Abschluss unserer Besichtigungstour ist der gemeinsame Restaurantbesuch. Wir sitzen auf der Terrasse im Schatten, direkt neben dem bzw. mit Blick auf den gut besuchten Badestrand. Bunte Sonnenschirme, planschende, juchzende Kinder im Wasser, Jugendliche mit Smartphones, im Schatten eine Familie mit ca, 8 Kindern, die gemeinsam aus einem riesigen Wok eine Mischung aus Couscous und Paella essen (sieht total lecker aus!), dürre, streunende Katzen, die sich ein paar Abfälle erhoffen und dreiste Mücken, die in nullkommanix alles belagern, was nach Essen aussieht.

Unser bestelltes Menü im Restaurant ist auch lecker: es gibt Calamares als Vorspeise, gegrillter Thiof (regionaler Meeresfisch) + Reis + eine Art süße Zwiebelmarmelade (mit Lorbeerblatt, Rosinen, Koriander) & als Nachtisch flambierte Ananas mit viel Rum.

Dank Fächer kann ich die Mücken alle prima vom Teller wedeln. Nachteil: Burkhard und ich müssen abwechselnd essen: einer isst, einer wedelt.

Danach geht’s wieder zurück nach Dakar.

Wir sind ganz beseelt von diesem schönen Tagesausflug und den vielfältigen Eindrücken. Es ist, wie Olivier uns zwei Tage vorher an Bord gesagt hat: die Menschen hier seien offen, nicht aggressiv, sehr kontaktfreudig (manchmal nervig, wenn sie was verkaufen wollen), aber Reisen im Senegal sei prinzipiell sicher – abgesehen von gelegentlichen Taschendiebstählen könne man sich als Ausländer dort frei und problemlos bewegen.

Apropos Taschendiebstahl…

Wir sind also auf dem Weg zurück zum Hafen. Immer wieder werden wir von diversen Verkäufern angesprochen, ob wir Sonnenbrillen wollen oder ein Taxi oder Zeitungen oder etwas ähnliches.

Ca. 400 m vor dem Hafeneingang tauchen drei Typen auf, die unsere Gruppe umschwirren, immer hin und her, zwischen uns laufen, uns bequatschen – irgendwie ist alles etwas merkwürdiger und lästiger als die ganze Zeit vorher. Plötzlich sind sie wieder verschwunden – und mit ihnen Burkhards Handy! Aus seiner Hochsicherheits-mich-klaut-niemand-Tasche! Verdammt! Wir sind gerade mal noch ein paar Schritte vom Hafeneingang entfernt, als Burkhard es merkt. Aber zu spät! Keine Chance – die Typen sind über alle Berge und unser Schiff startet auch in wenigen Stunden. Aus Rache verfluchen wir sie auf spanisch, französisch und deutsch bis an ihr Lebensende und Karma besorgt hoffentlich den Rest.

Aber wie sagt der Engländer so schön: „Shit happens!“ oder unser italienischer Stewart: „Stronzo!“