Paraguay / Chaco

 

Wir fahren weiter am Rio Paraguay, Richtung Norden, bis nach „Tres Cerros“.
Von hier soll die Fähre nach Puerto Casado übersetzen. Aber wo ist der Hafen? Wir fahren einmal durchs Dorf und entdecken eine Stelle am Fluss, wo eine Fähre anlegen könnte. Aber wo ist die Fähre? Fahrplan gibt es auch keinen. Etwas ratlos stehen wir herum und beschließen dann, in der Nachbarschaft zu fragen. Wir treffen auf einen netten Paraguayo, der gerade seine Siesta im Vorgarten macht. No problema! Er führt ein kurzes Telefonat und erklärt uns dann, dass die Fähre in einer halben Stunde hier am Fluss anlegt. Und pünktlich 30 Minuten später sitzen wir auf der Fähre und schippern flussaufwärts nach Puerto Casado.

Die Geisterstadt Puerto Casado: ein ehemals geschäftiger Ort mit Tannin-Fabrik (Tannin brauchte man damals um Leder zu gerben) und Eisenbahnanschluss. Schon seit langer Zeit ist die Fabrik geschlossen und auf dem Gelände des ebenfalls stillgelegten Bahnhofs stehen uralte Loks (absolute Museumsstücke!) herum, die nach und nach in Einzelteile zerlegt und nach finanziellem Bedarf kiloweise verkauft werden.

Früher gehörte das Gebiet auf dem sich die Stadt befindet den Besitzern der Tannin-Fabrik, der Familie Casado. Diese verkaufte es vor 16 Jahren unter Protest der Bevölkerung an die südkoreanische Moon-Sekte.
Von Puerto Casado aus starteten 1927 auch die ersten Mennoniten ins Chaco, um sich dort anzusiedeln. (Mennoniten sind Mitglieder einer protestantischen Sekte, die vor ca. 400 Jahren in der Schweiz und in Deutschland gegründet wurde. Auf der Suche nach einem Land, in dem sie ihre Religion ohne Einschränkungen ausüben können, kamen sie vor ca. 80 Jahren nach Paraguay und kauften ebenfalls Land von der Familie Casado. Sie führen ein arbeitsreiches und strenggläubiges Leben, wohnen und arbeiten in landwirtschaftlichen Kooperativen und sprechen meist plattdeutsch oder hochdeutsch.)
Ihr seht, Paraguay ist ein Eldorado für Sekten. Man kann hier relativ problemlos Land kaufen und sesshaft werden, wird normalerweise in Ruhe gelassen und braucht nur etwas Fingerspitzengefühl bzgl. Korruption…

Auf der Fahrt nach Loma Plata geht es zuerst durch den feuchten Teil des Chaco:
Galerie-Wälder wechseln sich mit Graslandschaften, sumpfigen Gebieten und Palmenhainen ab. Immer mal wieder passieren wir ein Gatter, sehen große Greifvögel, Geier, Störche, Ibisse …- und überall sind Moskitos, die uns unverschämter Weise trotz Mückenschutz und spezieller Antimücken-Kleidung ordentlich stechen.

 


Der Weg ist sehr abwechslungsreich, aber auch beschwerlich. Viele tiefe Schlaglöcher, schlammig, teilweise voll Wasser und zu allem Überfluss kommen uns einige große Viehtransporter auf dem schmalen Weg entgegen.

Wir merken schnell, dass wir die 230 km bis Loma Plata an diesem Tag nicht mehr schaffen werden. Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir an einer Estancia vorbei und bitten um Asyl für die Nacht. Wir haben Glück und dürfen bleiben. Mehr noch, Raúl, der Sohn des Verwalters, freut sich sehr über Besuch aus Europa und bittet uns, noch eine Nacht länger zu bleiben, um das Leben auf der Estancia kennenzulernen. Seine Freundin fliege als Stewardess um die Welt, habe schon viele Länder gesehen und auch er sei sehr am Reisen interessiert. Endlich mal etwas Abwechslung!
Wir werden von ihm und seinem Vater zum Asado eingeladen und erfahren nebenher, dass die Estancia „Campo Verde“ heißt, 600 000 Hektar (!) groß ist und den Moonies gehört. Allerdings weiß keiner was Genaueres über die Sekte. Alles Geschäftliche wird aus den USA koordiniert und hier vor Ort von (katholischen) Paraguayos bzw. Brasilianern geleitet.

Am nächsten Morgen starten wir zu Viert zur morgendlichen Rundfahrt auf dem Estancia-Gelände.
Raúls Vater hat einen rasanten Fahrstil, fährt die schwierigen Wege mindestens doppelt so schnell wie wir und regelt währenddessen noch alles Mögliche per Walkie-Talkie. Er ist so eine Art Ben Cartwright. Wir steuern nach und nach verschiedene Arbeitsgruppen auf dem Anwesen an: hier wird gerodet, da werden Kühe zusammengetrieben, dort Wege ausgebessert u.v.m. Immer wieder steigt er aus, fragt wie´s läuft, macht ein paar Scherze, gibt weitere Anweisungen, hakt nach, koordiniert… So viel Land zu verwalten und alle Arbeiten im Blick zu behalten ist richtig viel Arbeit!

Im Anschluss dürfen wir Raúl beim Sortieren der Kühe assistieren. Zusammen mit den Gauchos, teilt er die Tiere in verschiedene Kategorien ein und überprüft, ob die Stückzahl der Herde noch stimmt.

 

Raúl ist studierter Agrarwirt und hauptsächlich für den Verkauf der Kühe zuständig. Normalerweise arbeitet er von seinem Büro in Asuncion aus, auf der Estancia ist er nur gelegentlich. Dass das Verwalterhäuschen seines Vaters teilweise kein Dach mehr hat (Tornadoschaden) und seit über einem Jahr immer noch nicht repariert ist, ist ihm etwas unangenehm. Aber das Leben auf der Estancia sei nun mal etwas speziell…
Pünktlich um 12:00 serviert Raúls Vater selbst gekochtes, leckeres Ragout aus seiner Open-Air-Küche. Wie praktisch, wenn das Dach fehlt, spart sich sich auch die Dunstabzugshaube!

VIDEO Kühe sortieren

Obwohl wirklich noch genug Arbeit ansteht, nehmen sich Raúl und sein Vater am späten Nachmittag netterweise nochmal Zeit für uns. Wir machen eine weitere Rundfahrt auf dem Gelände, diesmal eine Art Safari. Mit dabei: eine Kanne Tereré, eine Angel und eine Gewehr…
Unterwegs sehen wir: ein Gürteltier, ein Reh (läuft glücklicherweise schnell genug weg!), Kaimane, Füchse, einen großen Ameisenbär und im Dunkeln der Nacht leuchten die Augen eines Pumas auf – zwischendurch flämmt Raúls Vater, der quasi immer im Dienst ist, noch ein paar Wiesen ab und gibt immer mal wieder mit seiner knarzigen Stimme Anweisungen über sein Walkie-Talkie.

Zum Abschluss des Abends gibt´s – wie soll es anders sein – ein Asado. Diesmal bei Raúls Bruder Rodriguez, der ebenfalls auf der Estancia, aber etliche Kilometer entfernt auf dem Gelände arbeitet. Insgesamt sind wir an diesem Tag über 300 km kreuz und quer gefahren! 600 000 Hektar ist einfach enorm viel. Um einen beliebten Vergleich zu bemühen: Campo Verde ist fast 2,5 mal so groß wie das Saarland.

Nach einem gemeinsamen Frühstück mit Raúl, der sich in den letzten Tagen wirklich rührend um uns gekümmert hat, verabschieden wir uns und fahren weiter Richtung Westen.
Wir kommen an mehreren Salzlagunen vorbei. An der größten, der Laguna Salada, wollen wir die Nacht verbringen.
Das Gatter ist leider geschlossen, aber es gibt eine Telefonnummer über die man den Besitzer erreichen kann. Er teilt uns telefonisch den Preis für den Einlass mit und sagt uns, wo der Schlüssel für´s Tor hängt. Ok. 15 Minuten später stehen wir vor der Lagune. Es gibt hier einen Mirador, eine Art Hütte auf Stelzen, ca. 6m hoch mit Terrasse. Hier befestigen wir unsere Hängematten, verstauen einen Teil unserer Sachen und machen eine kurze Siesta. Außer uns ist hier weit und breit niemand – selbst auf dem dreistündigen Weg zur Lagune ist uns kein Auto begegnet.

Beim anschließenden Spaziergang am Lagunenufer, können wir Hunderte von Flamingos beobachten. Sie gleiten grüppchenweise durch die Luft, landen mit weit ausgebreiteten Flügeln und stelzen durchs seichte Wasser…

Da es hier schon länger nicht mehr geregnet hat, sind auf dem getrockneten lehmigen Boden auch viele interessante Tierspuren zu sehen.

Es fängt an zu dämmern und auf unserem Weg zurück zum Schlafplatz sehen wir, wie ein relativ großes Tier mit kurzem, hellbraunen Fell elegant durchs hohe Gras schleicht – es ist zwar nur ein Teil vom Rücken zu sehen und wir sind ein paar hundert Meter entfernt, aber uns wird schon ein bisschen mulmig…
Verhaltensregeln bei Pumas: mach Dich möglichst groß, brüll ganz laut zurück, dreh ihm nie den Rücken zu und v.a. lauf nicht schnell weg! OK. Wir versuchen, uns möglichst unauffällig zu entfernen. (P.S.: Am nächsten Morgen riecht unser Auto nach der Markierung einer sehr großen Katze!)

Der Mirador ist super:
hier oben gibt es relativ wenig Moskitos, definitiv keine Pumas, es weht ein laues Lüftchen und man kann aus der Höhe die direkte Umgebung viel entspannter beobachten. Wir trinken ein Bierchen, legen uns gemütlich in die Hängematten, schaukeln vor uns hin und schauen durch unsere Ferngläser in die Weite.


Nachts bestaunen wir den Sternenhimmel und können beobachten, wie ein unglaublich großer, oranger Mond über der Lagune aufsteigt. Danach werden wir von den Flamingos in den Schlaf geschnattert…

 

Wir fahren weiter Richtung Westen. Die Landschaft wird immer karger und staubiger. Willkommen im trockenen Chaco! Am Straßenrand sehen wir die ersten „Palo Barachos“. Diese Bäume wachsen in extrem trockenen, heißen Gebieten und sind in der Lage, Wasser in ihrem bauchigem Stamm zu speichern. Hier scheinen alle Pflanzen Stacheln zu haben.

Unterwegs tauchen die ersten Straßenschilder mit deutschen Namen auf und aus dem Radio ertönt plötzlich deutsche Schlagermusik und deutsche Werbung. In Kombination mit dieser Landschaft eine sehr eigenwillige Mischung.

Und dann sind wir endlich da: in Loma Plata dem Hauptort der mennonitischen Kolonie Menno.
Die meisten Straßen enden auf „- straße“, wir sehen viele hellhäutige, blonde Menschen, in allen Geschäften wird man auf deutsch bedient und trotzdem schaffen wir es irgendwie, im (vermutlich) einzig brasilianischen Hotel zu landen… Egal! Hauptsache kalte Dusche, Zimmer mit AC und Ventilator und – KEINE Moskitos!!!

Nachdem wir uns auf Normaltemperatur herunter gekühlt haben, schauen wir uns die Stadt genauer an und besuchen das kleine Mennoniten-Museum vor Ort, in dem man den Werdegang der Stadt bzw. der Mennoniten in Wort und Bild verfolgen kann:
1927 wurde Loma Plata als erste mennonitische Siedlung im Chaco gegründet. D.h. die Siedler ließen sich zwischen Trockenwäldern und Dornbuschsavannen unter härtesten Bedingungen im „Nichts“ nieder. Und heute? Heute ist Loma Plata eine florierende kleine Stadt mit Supermärkten, Hotels, Restaurants, einer großen Fabrik für Milchprodukte, einem Krankenhaus u.v.m. Schon beeindruckend!

Am Abend treffen wir zufällig Rodriguez und einen weiteren Mitarbeiter von Campo Verde. Sie erzählen, dass sie Einkäufe in Loma Plata gemacht haben und aufgrund der schlechten Wetterlage eine Nacht hier in der Stadt verbringen müssen. Bei einsetzendem Regen packt selbst ihr Toyota Hilux nicht den Weg bis zur Estancia! Es wird ein lustiger Abend mit einigen Cervezas: wir reden über das Estancia-Leben, über Familie, übers Reisen, über die Zukunftsaussichten in Paraguay und vieles mehr.

Der nächste Tag bringt uns eine ebenfalls sehr nette, aber wieder ganz andere Begegnung.
Beim Mittagessen treffen wir auf Rosi und Klaus aus der Pfalz, beide Mitte 70. Sie sind auf ihrer Reise durch Südamerika vor ca. 10 Jahren im Chaco hängengeblieben. Nachdem sie eine Zeit lang in einem mennonitischen Dorf gelebt haben, wohnen sie jetzt “mitten im Busch“ (Zitat Rosi).
Rosi hat viel Interessantes über das Leben in Paraguay zu erzählen, z.B.: dass Korruption hier ganz normal ist; dass sie aufgehört hat, barfuß zu laufen (zu viele Skorpione, Schlangen u.ä.); dass sie einerseits den Zusammenhalt der Mennoniten sehr schätzt, andererseits aber auch schon die Schattenseiten dieser verschworenen Gemeinschaft erleben musste; dass man im Chaco eine sehr gute ärztliche Versorgung hat und, dass es hier mittlerweile richtig leckere Leberwurscht gibt.
Am späten Nachmittag lernen wir ihre mennonitischen Freunde, Elsie und Victor, kennen. Die beiden führen ein arbeitsreiches und hartes Farmerleben, fest verwurzelt in ihrer Glaubensgemeinschaft. Sie konnten im Laufe der letzten Jahrzehnte selbst miterleben, wie sehr der Anschluss an die Transchaco das Leben hier in der Region verändert hat. Im Gegensatz zu den Mennoniten im Osten Paraguays, die dem Fortschritt abschwören, sich traditionell kleiden und ein bequemes Leben mit Technik ablehnen, sind die Mennoniten des Chaco sehr fortschrittlich. Sie tragen moderne Kleidung, fahren Autos, benutzen Handys und haben auch keine Scheu mit Nicht-Mennoniten in Kontakt zu treten. So auch Elsie und Victor. Sie fragen in etwas antiquiertem Deutsch nach unserer Reise und zeigen sich an unseren Erlebnissen interessiert.

Am nächsten Tag geht´s (in Schlangenlinien) auf der Transchaco nach Mariscal Estigarribia. Die Straße ist zwar asphaltiert, aber voll riesiger Schlaglöcher…

In Mariscal (ca.1000 Einwohner) fühlt man sich dem Ende der Welt schon ziemlich nah.
Lange, ausgestorbene Straßenzüge, viel Staub, ab und zu rauscht ein LKW vorbei, dann ist wieder Stille…

Aber jedes Jahr im September ist hier die Hölle los. Dann startet nämlich die Rallye Transchaco und Mariscal ist Dreh- und Angelpunkt dieser Veranstaltung.

Außerdem gibt es hier einen großen Flughafen mit riesigem Radarsystem und Unterkünften für 16000 (!) Personen.
Er wurde vor Jahrzehnten aus unbekannten Gründen von den USA gebaut- angeblich als Entwicklungshilfe. Als 2005 auf dem Gelände über 1000 US-Truppen stationiert werden sollten, gelang es der Bevölkerung vor Ort, diesen Plan zu boykottieren. D.h. insgesamt wurde der Flughafen genau einmal benutzt – nämlich 1988 von Papst Johannes Paul II, der der indigenen Bevölkerung des Chaco damit einen Besuch abstattete.

Für uns ist die wichtigste Einrichtung in diesem Ort das Zollamt.
Wir haben vor, über den trockenen Chaco nach Argentinien zu fahren und müssen deshalb bereits hier, 250 km vor dem Grenzübergang, unseren Papierkram für den Zoll erledigen.
Nachdem das gemacht ist, fahren wir los in Richtung Pozo Hondo. In den nächsten fünf Stunden begegnen wir genau einem weiteren Fahrzeug – und zwar am Ortsausgang von Mariscal. Danach begleiten uns Riesenheuschrecken, die immer wieder mit ihren blauen Flügeln an uns vorbeischwirren und die Staubfahne, die wir hinter uns her ziehen.
Der Himmel ist ziemlich bewölkt und unsere größte Sorge ist, dass es anfängt zu regnen und sich die Piste in Schmierseife verwandelt. Aber wir haben Glück, außer ein paar zaghaften Tropfen fällt nichts vom Himmel…

Am frühen Nachmittag kommen wir in Pozo Hondo an.
Das ist vielleicht nicht das Ende der Welt (auch wenn es sich schon wieder stark danach anfühlt) aber auf jeden Fall das Ende unserer Paraguay-Reise.

Wir passieren den paraguayischen Grenzposten (der nicht besetzt ist… Siesta…), überqueren die Brücke am Pilcomayo und checken im argentinischen Zollamt ein.

Auf argentinischer Seite erwarten uns zwei gut gelaunte junge Zöllner. Sie sind erstaunt, hier Touristen aus Europa zu sehen – wir sind tatsächlich die ersten, die hier über die Grenze wollen. Daher dauert es eine Weile und mehrere Telefonate, bis das passende Formular für unser Fahrzeug gefunden ist. Wir bekommen ganz offiziell die Nummer 001 und je einen Stempel in unsere Pässe. Argentinien, wir kommen!

P.S.
Paraguay ist ein spannendes Land.
Mit viel Licht, aber auch viel Schatten. Nirgendwo haben wir bisher so viel Reichtum und Armut bzw. modernes und traditionelles Leben parallel nebeneinander gesehen.
Korruption ist ein großes Thema, obwohl wir persönlich keine negativen Erfahrungen mit Behörden oder Polizisten machen mussten.
Das Land bietet viel Raum für die unterschiedlichsten Lebensentwürfe – auch hier, im Guten wie im Schlechten. Durch die Offenheit und Herzlichkeit der Menschen in Paraguay, bekamen wir oft die Gelegenheit von den verschiedensten Lebensentwürfen zu hören, bzw. sie uns persönlich anzuschauen und zu erleben. Danke!

Paraguay / Mitte

Über Santa Rosa fahren wir zur Laguna Blanca.
Das Naturreservat der Lagune, ein beliebter Ort für Ornithologen, ist leider wegen Familienstreitigkeiten (vorübergehend) geschlossen. Aber da das Thermometer 40 Grad anzeigt und es am anderen Ufer der Lagune einen netten Campingplatz mit weißem Sandstrand, Stroh-Sonnenschirmen und Bademöglichkeit gibt, schlagen wir hier kurzentschlossen unser Lager auf. Badesachen an und ab ins kühle Wasser!

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Es ist wieder Sonntag und somit viele Paraguayer mit Kind und Kegel und/oder Freunden unterwegs, um ihr Wochenende im Grünen zu verbringen und der Hitze in den oft staubigen Dörfern bzw. Städten zu entgehen – dieses Mal gibt´s sogar Live-Musik.

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Vor Ort lernen wir vier junge Studierende aus Santa Rosa kennen, mit denen wir schnell ins Gespräch kommen und die uns zum Tereré einladen. Wir tauschen uns über das Leben und Reisen in Paraguay aus, bekommen neue Reisetipps und erfahren u.a., dass es einen berühmten Marien-Wallfahrtsort in Süd-Paraguay gibt, zu dem jedes Jahr am 8. Dezember über eine Mio. Menschen pilgern, u.a. auch Christian und Kiki.
Das Ganze funktioniert folgendermaßen: ich treffe mit der Maria von Caacupé zu Jahresbeginn eine Vereinbarung, bei der ich verspreche, am 8. Dezember nach Caacupé zu pilgern, wenn sich im Laufe des Jahres Wunsch XY zu meinen Gunsten erfüllt. Da die Pilger über große Strecken zu Fuß, mit dem Fahrrad, auf Knien, mit Bussen und Autos nach Caacupé kommen, muss die Polizei teilweise die Straßen für den normalen Straßenverkehr absperren. Außerdem gibt es unterwegs Verpflegungsstationen für die Pilger. Wie bei der Tour de France!

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Am Nachmittag treffen wir auf Gustavo, Zulma, Rafa, Diana und ihre Kinder. Nach einem kurzen Smalltalk laden sie uns spontan zum gemeinsamen Asado ein.
Wir tauschen uns u.a. wieder über Reiseziele in Paraguay aus und sie empfehlen uns, den Nationalpark Cerro Corá, einen der berühmtesten Orte Paraguays zu besichtigen. Hier starb 1870 General Lopez (Zitat: „Ein Paraguayer ergibt sich nicht“), der größte Nationalheld Paraguays. Neben der historischen Bedeutung für Paraguay, sei Cerro Corá auch landschaftlich sehr schön – und wenn wir wollten, könnten wir ja im Anschluss auch noch nach Pedro Juan de Caballero kommen.
Am Abend erzählt uns Raffa noch, dass er ein kleines Restaurant in Pedro Juan betreibt und berühmt für seine leckeren Hamburger ist. Außerdem habe er mehrere Jahre in Spanien als Koch gearbeitet und könne von Paella bis Falafel alles kochen. Wir sind begeistert! Das hört sich gut an! Auf die Frage, wie seine Heimatstadt Pedro Juan so ist, antwortet er: alles tranquilo, kein Problem, gemütliche Stadt.

Am nächsten Morgen fängt es an zu gewittern. Wir packen zügig unsere Sachen ins Auto, um möglichst schnell loszufahren, da die Strecke bis Santa Rosa mehr als schlecht und Fahren im Regen so eine Sache für sich ist…
Bevor wir aber loskommen, verplaudern wir uns mit Pedro, dem Besitzer der Lagune. Er hat mit seinen 50 Jahren schon ein ziemlich bewegtes Leben hinter sich: Latein und Theologie studiert, war dann Pfarrer, hat sich aber irgendwann verliebt, geheiratet, zwei Söhne bekommen, einen großen Supermarkts in Santa Rosa geleitet und schließlich das Grundstück an der Lagune gekauft und zum Campingplatz ausgebaut. Und ruckzuck ist sowohl die Zeit als auch die Regenpause vorbei und wir fahren doch im heftigsten Regen los…. na super…!

 

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Auf dem Weg zum Nationalpark Cerro Corá ändert sich die Landschaft: es wird hügeliger und grüner, wir sehen die ersten Tukane vorbeifliegen.
Am Parkeingang steht ein kleines Museum, das sich mit den Hintergründen und dem Ablauf des Krieges von 1870 (Paraguay gegen Brasilien, Argentinien und Uruguay) beschäftigt. Dazu nur so viel: für die Paraguayer war Mariscal Lopez der größte Volksheld, für die gegnerischen Länder der schlimmste Diktator.
Im Park kann man auf Schritt und Tritt an Originalorten die letzte Schlacht von Lopez auf Tafeln (teilweise mit Zitaten oder Auszügen von Augenzeugenberichten) verfolgen. Der Geschichte zufolge starb er mit einer Lanze in den Rippen, einem Schwert in seinem Kopf und einer Kugel in seinem Herzen mit den Worten: „ Ich sterbe für mein Land!“
Der Park ist ein beliebtes Ausflugsziel für Schulklassen, die hier busseweise ankommen und natürlich auch Ort der offiziellen Feierlichkeiten am 1.März, dem Nationalfeiertag Paraguays.

Nach Besichtigung der historischen Stätten, schlagen wir in der Mitte des Parks unser Nachtlager auf, machen noch einen kleinen abendlichen Rundgang, um Schmetterlinge und sonstige Tiere zu fotografieren und gehen dann ins Bett.

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Unsere Reise führt uns am nächsten Morgen weiter nach Pedro Juan de Caballero. Wir wollen kurzentschlossen Rafa und Diana besuchen, dort einen von Rafas berühmten Hamburgern essen und wieder weiterfahren. Unterwegs lässt mich ein Blick in den Reiseführer etwas stutzen: von wegen tranquilo! Pedro Juan ist demnach eine berüchtigte Waffen- und Drogenhochburg, in der sich Mitglieder von Motorradgangs am helllichten Tag gegenseitig erschießen. 2014 gab es hier in den ersten 5 Monaten 38 Morde!

Rafa und Diana sind schnell gefunden – ihre Hamburgueseria ist leider erst am Abend geöffnet. Sie sind überrascht, uns so schnell wieder zu sehen, freuen sich aber sehr und laden uns ein, eine Nacht zu bleiben. Wir müssten uns keine Sorgen machen: diese Gegend der Stadt sei ruhig und die Drogendealer würden sich außerdem immer nur gegenseitig erschießen.
Auf der gemeinsamen Fahrt zur nächsten Tankstelle, greift Rafa wieder das Thema Kriminalität auf: so schlimm sei es hier garnicht, es seien nur 20%. Burkhard versucht rauszubekommen, was diese ominösen 20% bedeuten: 20% Morde im Monat? 20% der Bevölkerung sind kriminell? Bleiben 20% der Fälle ungelöst? Rafa zuckt mit den Achseln. Irgendwie weiß er auch nicht, auf was sich diese offiziellen 20% genau beziehen. Es würde immer heißen, es sind nur 20% und das sei wenig.

Am Abend bereitet Rafa eine vorzügliche Paella zu, die wir gemeinsam mit Familie, Freunden und Nachbarn essen und Burkhard hilft begeistert in der Küche mit. Endlich wieder kochen!
Als Vorspeise gibt es eine „sopa paraguaya“, eine Art Polenta. Ursprünglich war diese Spezialität wirklich mal eine „Sopa“, also eine Mais-Suppe, bis zu dem Zeitpunkt, als der Leibkoch von General Lopez sie zu lange auf dem Herd gelassen hat, somit aus der „Sopa“ eine Maisschnitte wurde und Mariscal Lopez davon total begeistert war.

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Es wird ein vergnügter Abend mit gegenseitigen Geschenken, kurzweiligen Gesprächen und viel Bier. Immer wieder kommt der schlechte Ruf der Stadt zur Rede. Ein Freund von Diana, Flavio berichtet, dass, sobald man erzählt, dass man aus Pedro Juan komme schief angeschaut werde und die Leute von einem abrücken – sogar in Asuncion! Dabei sei hier viel sicherer zu wohnen als in der Hauptstadt, denn normale Verbrechen wie Hauseinbrüche und Diebstähle gäbe es hier quasi nicht.

Anschließend übernachten wir in unserem Auto vor dem Haus der Nachbarin und Freundin Zulma. Nachts höre ich, während Burkhard friedlich neben mir schläft, lautes Motorradgeheul und mehrere Schüsse – glücklicherweise ein paar Quadras entfernt. Ich rufe mir die Bemerkung, dass die Dealer sich immer nur gegenseitig erschießen in Erinnerung und hoffe, dass die Gangs das auch wissen…

 

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Am nächsten Morgen frühstücken wir gemeinsam bei Zulma. Als ich ihr von den Schüssen berichte, antwortet sie, dass das leider regelmäßig vorkomme und zeigt uns auf ihrem Handy Fotos von Waffen- und Drogenfunden der letzten Nacht. Sie selbst fühle sich in der Stadt nicht bedroht – Angst habe sie nur um ihre zwei jüngsten Kinder, da es in Pedro Juan sehr leicht wäre, an Drogen und somit auf die schiefe Bahn zu geraten. Deshalb versucht sie ihnen regelmäßig Freizeitbeschäftigungen in drogenfreien und stabilen Gruppen (Tanzgarde, Musikverein etc.) zu ermöglichen. Und eine gute Nachbarschaft, in der man sich gegenseitig hilft und aufeinander achtet sei sowieso unverzichtbar. Das können wir bestätigen!

Als Abschiedsgeschenk organisieren uns Rafa und Diana einen riesigen (extra angefertigten) Paraguay-Aufkleber, den wir feierlich an unserem Auto anbringen.

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Wir fahren weiter Richtung Westen nach Belén ins „Granja El Roble“. Hier treffen wir auf die Familie Gärtner: Peter, Andresa und ihre Kinder Nestor, Hannibal und Ameli.
Peter ist vor über 25 Jahren von Deutschland nach Paraguay ausgewandert, hat sich ein Grundstück gekauft, vollständig aufgeforstet und es zu einem einzigartigen Ort gemacht. (Zitat Peter: „Auswandern ist ganz einfach. Man muss nur die ersten 20 Jahre irgendwie überstehen, dann läuft´s schon…!“)
Hier ist alles sehr naturnah. D.h. an manchen Tagen sieht man selbst auf den Klos interessantere Tiere, als in manch einem paraguayischen Nationalpark.

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Außerdem gibt einen genial kühlen Trinkwasserpool (den man sich mit ein paar Fröschen teilt), viele bunte Vögel, Echsen in verschiedenen Größen, die über die Terrasse laufen, Fische im Teich, Schweine auf der Weide und da die Familie auch eine Art Auffangstation für misshandelte Tiere ist, lernen wir noch zwei kontaktfreudigen Brüllaffen, einen schmusebedürftigen Tapir und einen neurotischem Papagei kennen.

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Am Abend fängt es an zu regnen und wir nutzen die Gelegenheit, mal wieder Musik zu machen. Ich erzähle Peter, dass in unserem Programm noch ein paraguayisches Lied fehlt und kurzerhand organisiert er ein Treffen mit Crescencio, einem Musiker aus Conception.
Am nächsten Tag erscheint er mit einer Liedermappe und seinem Meisterschüler Benjamin. Wir studieren das paraguayische Lied „Pajaro Chuy“ ein, spielen gemeinsam noch einige Lieder aus unserem „Südamerika-Programm“ und Crescencio lädt uns ein, im Rahmen des Konzertes der örtlichen Musikschule von Conception als Gäste aufzutreten.

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Einen Tag später ist es soweit: gemeinsam mit Andresa, Nestor und Jonas, einem schweizer Koch (und ebenfalls Gast im El Roble) fahren wir nach Conception zum Auftritt.
Als wir am Marktplatz ankommen, spielt gerade die Geigengruppe der Musikschule auf. Vor der Bühne befinden sich mehrere Sitzreihen mit Familienangehörigen und Interessierten. Und ruckzuck bittet uns Crescencio offiziell nach vorn, interviewt uns zur Reise und zu unseren Instrumenten (besondere Aufmerksamkeit bekommen Burkhards Ukulele -Bass und der dazugehörige Mini-Verstärker) und wir spielen mit Unterstützung von Benjamin und Nestor zwei Songs. Irgendwie ist die Anlage übersteuert und es krächzt und knackst durch die Nacht – außerdem habe ich geschickterweise teilweise sowohl Text als auch Melodie von „Imik si mik“ vergessen… aber vor uns sitzt ein uns wohlgesinntes Publikum und alles ist gut. Danach füllt sich die Bühne mit einer ca. 30köpfigen Gitarrenklasse und es werden traditionelle paraguayische Lieder mit viel Patriotismus und Herzblut vorgetragen.

Im Anschluss an das Konzert werden wir von Benjamins Eltern nach Hause eingeladen. Wie wir verblüfft vor Ort feststellen können, gehört ihnen der Radio- und Fernsehsender Conception und eine Karaoke-Disco.
Nach der Besichtigung des Senders, versacken wir gemeinsam mit Andresa, Nestor, Jonas, Crescencio, seiner Freundin, Benjamin und seinen Eltern in der (an diesem Tag eigentlich geschlossenen) Disco: es gibt viel Cerveza und wir singen hemmungslos bis morgens um halb drei Karaoke…

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Am nächsten Tag räumt Andresa, die übrigens ganz hervorragend kocht, für uns ihre Küche:
Jonas und Burkhard dürfen im El Roble an den Herd! Sie bereiten eine saarländische Spezialität (Flammkuchen – für „Geheirate“ o.ä. war´s bei 40 Grad im Schatten einfach zu heiß!) und schweizer Spezialitäten (Rösti & Brombeerwähe) zu.

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Peter und Andresa sind mit ihrem Hof fast vollständig Selbstversorger. Sie bauen Gemüse und Obst an, halten neben Fischen und Hühnern auch Schweine (die Kühe sind mittlerweile „outgesourct“) und stellen u.a. Würste, Schinken, Käse, Marmeladen, Schnäpse u.v.m. her. Und an diesem Tag ist Schlachttag: die Sau ist dran.
Da es als Fleischfresser eigentlich schon sinnvoll und wichtig ist zu wissen, wie das Steak o.ä. auf den Teller kommt, schauen sich Burkhard und Jonas furchtlos und konsequent die Schlachtung an. Ich kann mich erfolgreich drücken…

vorher

nachher

 

Nach einer erlebnisreichen und sehr schönen Woche im „El Roble“ ziehen wir, mit einem nächtlichen Zwischenstopp am kristallklaren und fischreichen Rio Tagatijá, weiter Richtung Nordwesten ins Chaco.

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