Argentinien / Patagonien

Wir folgen weiter der Ruta 40 in Richtung Süden und übernachten unterwegs am Lago Cholila.

Landschaftlich sehr schön, aber das Wetter ist mehr als wechselhaft – es regnet sich richtig ein…

Als wir uns am nächsten Morgen in der Haupthütte, dem einzig warmen und trockenen Ort des Campingplatzes, aufwärmen, treffen wir dort auf Fernando und Naty aus der Provinz La Pampa.
Sie sind bester Dinge und gerade dabei, ihr gesamtes Hab und Gut vor dem Kaminfeuer zu trocknen. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählen uns, dass sie jedes Jahr ihren Winterurlaub in Patagonien verbringen, um dort zu zelten. Regen, Wind, Schnee, Kälte sind ihnen ziemlich egal – Hauptsache sie entkommen der Hitze ihrer Provinz! Ok. So haben wir das noch nie gesehen. Wir hören sofort auf zu jammern und sind froh, dass wir bei diesem Wetter wenigsten im Auto schlafen können! Da die beiden ebenfalls Richtung Süden reisen, bekommen wir einige gute Tipps für die Weiterfahrt.
Fernando findet die Sache mit dem Sabbatjahr übrigens super. Er bedauert allerdings, dass das für ihn, als freiberuflicher Leichenbestatter, leider nicht in Frage komme … Kundschaft und so…

Am folgenden Tag geht es weiter in den Nationalpark „Los Alerces“, benannt nach den patagonischen Riesenzypressen „Alercen“. Diese Bäume können, ähnlich wie die nordamerikanischen Mammutbäume, über 2500 Jahre alt werden!
Leider sind sämtliche Wanderwege und auch Flüsse wegen Sturmwarnung gesperrt. Dabei könnte man hier so schön Kanu fahren!

Immerhin finden wir einen netten Stellplatz in einem Myrthenwald und genießen bei der Weiterfahrt die Aussicht auf Wälder, Flüsse und Seen.

„Perito Moreno“, übersetzt: der Sachverständige Moreno. Im 19. Jahrhundert hat dieser argentinische Naturwissenschaftler v.a. Patagonien und dessen Flora und Fauna erforscht. Nach ihm wurde nicht nur ein Nationalpark und einer der bekanntesten Gletscher Argentiniens benannt, sondern auch eine kleine hässliche Stadt in Patagonien. Aus fahrtechnischen Gründen verbringen wir dort die Nacht auf einem ebensolchen Campingplatz, allerdings in sehr netter Gesellschaft!

Wir treffen auf die beiden Langzeitreisenden Mara und Mauro, beide aus den Dolomiten, die tatsächlich in einem halb so großen Cruiser (ohne Hubdach!) wie wir unterwegs sind! Sie sind auf der Flucht vor dem schlechten chilenischen Wetter, warten die Regenfront im trockeneren Argentinien ab und leiden ebenfalls unter den bescheidenen argentinischen Lebensmitteln…
Außerdem befinden sich u.a. auf dem Campingplatz: Jaime, der eigentlich aus Salta stammt, aber hier im Süden sein Glück als Arbeiter in einer Goldmine versucht und zwei junge Studenten aus Buenos Aires, auch auf der Flucht – allerdings vor der Hitze ihrer Heimatstadt.

Da es kalt und windig ist, verbringen wir zusammen den Abend im Gemeinschaftsraum: Burkhard bereitet ein großes Asado vor und Jaime backt für alle Empanadas. Anschließend wird noch gemeinsam Musik gemacht und gesungen. Zum Trinken gibt es Rotwein und Fernet-Cola, das Nationalgetränk der Argentinier (übrigens sehr lecker!).

 

Am nächsten Tag steht die „Cueva de los Manos“ auf unserem Programm.
Allein schon die Fahrt zu der Höhle mit den bedeutendsten prähistorischen Felszeichnungen Südamerikas ist beeindruckend. Kurz vor dem eigentlichen Ziel machen wir noch einen kleinen Schlenker durch die Nachbar-Schlucht…

Wieder auf der offiziellen Straße zurück, sind wir auch schon bald da:
90 Meter über der gewunden sattgrünen Schlucht des „Canon del Rio Pinturas“ prangen an 10m hohen Felsübergängen sensationell gut erhaltene Zeichnungen, darunter über 800 Hände in Rot, Gelb, Ocker und zwei in Grün. Die ältesten Darstellungen sind 13000, die jüngsten ca. 1300 Jahre alt. Ihre Bedeutung ist wissenschaftlich umstritten.

 

Auf unserer Weiterfahrt Richtung Süden, entdecken wir auf der Landkarte den Nationalpark „Perito Moreno“ mit dem See „Lago Burmeister“.
Burmeister? Burmeister? Kommt uns irgendwie bekannt vor. Da fahren wir mal hin!

100 km Schotterstraße später erreichen wir den Parkeingang und erfahren von der Parkverwaltung, dass sich momentan noch 5 andere Touristen im Park befinden.
Bei 115 000 km² Parkfläche hört sich das sehr übersichtlich an.

Am Lago Burmeister angekommen, bläst es uns fast ins Wasser… Solche Windböen haben wir bisher noch nicht erlebt!

Uns gefällt der Park mit seiner einsamen, wilden Andenlandschaft, den Gletscherseen, Lenga-Wäldern und vergletscherten Gipfeln.
Es ist zwar windig und kalt, aber wir sind quasi alleine unterwegs und können hier endlich wandern!
Also stellen wir den Cruiser ab, packen unsere Rucksäcke mit Schlafsäcken, Isomatten, Wasser, ein paar Nahrungsmitteln und machen uns auf zur nächsten unbewirtschafteten Hütte („Refugio“), um dort die Nacht zu verbringen.

Auf dem Hinweg haben wir zwar ordentlich Gegenwind, aber wir vermummen uns gut und wandern unverdrossen weiter.
Nach mehreren Stunden können wir eine kleine Hütte am Horizont erkennen. Super. Gleich da. Dann heizen wir den Ofen an, kochen Tee und haben die Hütte ganz für uns!

Beim Näherkommen sehen wir, wie sich die Tür des Refugio öffnet und uns jemand entgegenkommt.
Oh nein! Das Refugio ist schon besetzt… Ganze fünf weitere Touristen in diesem großen Nationalpark und jetzt das!

Wir treffen auf Flavio, einen jungen Parkranger in Ausbildung. Er erzählt uns, dass er, gemeinsam mit zwei Kollegen, vor einer halben Stunde hier angekommen sei. Wir schauen uns kurz mal in der Hütte um. Mmmh. Für zwei Leute ist die Größe super, drei geht auch noch, aber bei fünf wird´s richtig, richtig eng!
Allerdings seien seine beiden Kollegen mit Gepäck vorerst weiter bis zur nächsten Lagune gewandert, dort gäbe es auch ein Refugio, und je nach Wetterlage würden sie dort bleiben. Für heute bzw. morgen sei nämlich Schnee gemeldet.

Also gehen wir noch ein bisschen spazieren, sammeln Holz für den Ofen, bereiten das Abendessen vor, trinken gemeinsam Mate und warten darauf einen Puma zu sehen. Den soll´s hier nämlich laut Flavio geben.
Es wird dunkler und dunkler – aber wir bekommen an diesem Abend weder Puma noch die beiden Kollegen zu Gesicht.
Als wir am nächsten Morgen, nach einer zugigen Nacht auf dem kalten Hüttenboden, aufstehen, graupelt es und die Schneeballgrenze ist sichtlich gesunken. Wir frühstücken gemeinsam mit Flavio, verabschieden uns und wandern, diesmal mit Rückenwind und Schneeregen, zurück. Schön war´s!

 

Weiter geht es durch die Pampa nach El Chaltén.

Trotz Bleifuß fährt unser Cruiser streckenweise nur 70 … was ist denn jetzt los? Als wir bei einem Zwischenstopp kaum die Türen aufbekommen, löst sich das Rätsel von allein: wir haben Gegenwind! Und was für welchen! An der Natur kaum zu erkennen, da hier nur kurze Grasbüschel wachsen – an den Motorradfahrern, die uns windschief auf der Fahrbahn entgegen kommen schon!

Am frühen Abend erreichen wir den nördlichen Teil des NP „Los Glacieres“. Menschenmengenmäßig erwartet und hier das Gegenteil vom Nationalpark „Perito Moreno“: hier stapeln sich Touristen, Wanderlustige und Kletterer!
Wir steigen auf den stadtnahen „Mirador de los Condores“ und werden mit einer unverstellten Aussicht auf die eisverkrusteten Granitnadeln des Cerro Fitz (3445m) und des Cerro Torre (3128m) belohnt! Kondore sehen wir hier allerdings leider keine.

Am nächsten Tag campen wir am „Lago del desierto“.
Vom Campingplatz aus führt ein Wanderweg zum nahegelegenen Gletscher. Am Ufer des milchigblauen Gletschersees picknicken wir und genießen den Ausblick auf den Gletscher bzw. auf den nördlichen Teil des Fitzroy-Massivs.

 

 

Unser nächstes Ziel ist der südliche Teil des Nationalparks „Los Glacieres“:  hier ist El Calafate, 222 km von El Chaltén entfernt, Dreh- und Angelpunkt.
Auf dem Weg dorthin entdecken wir von Weitem einige Greifvögel auf der Straße, die sich einen Kadaver teilen. Als sie unser Auto bemerken, fliegen sie weg – unter ihnen ein Andenkondor, einer der größten flugfähigen Vögel der Erde mit einer Flügelspannweite von bis zu 3,20m!

 

In El Calafate angekommen, lösen wir unser Weihnachtsgeschenk ein: eine Übernachtung auf einer Estancia am äußersten Ende des Lago Argentino.

Alles beginnt mit der vierstündigen Bootsfahrt zum Zielort, durch gletscherblaues Wasser, vorbei an Eisbergen und dem Gletscher Upsala.

Wer vermutet, dass so ein See kaum Wellen hat, irrt. Das Wetter ist stürmisch und vier Stunden lang werden wir hin und her und auf und ab und kreuz und quer geschüttelt.

 

Und wer jemals seekrank war, weiß wie lange sich vier Stunden anfühlen…
Da aber unser Steward Mathias mit fachmännischen Blick für potentiell gefährdete Personen eine dunkelgrüne Kotztüte (mit der Aufschrift „Cristina“ – kein Witz!) parat hat, kann eine größere Verschmutzung des Oberdecks in letzter Sekunde verhindert werden.
Nur gut, dass Burkhards Magen wesentlich robuster ist – sonst hätten wir keine Fotos von der Fahrt.

Auf der Estancia angekommen und mit festem Boden unter den Füßen, ist alles wieder gut. Wir beziehen unser Zimmer und freuen uns über den ungewohnten Luxus: es gibt sogar ein Badezimmer mit Wanne!

Nachmittags machen wir standesgemäß einen Ausritt über das Anwesen unserer Estancia.

 

Am nächsten Tag müssen wir wieder selbst laufen.
Auf dem Programm steht eine Wanderung durch die „Schlucht der Fossilien“ („Canadon de Fósiles“). Wir starten an einem schönen Aussichtspunkt mit Blick auf den Lago Argentino und drei Gletscher.

 

Als wir nachmittags wieder mit dem Boot nach El Calafate zurück fahren, zeigt sich der Lago Argentino von seiner besten Seite: friedlich und strahlend blau liegt er da, Wellen sind kaum vorhanden – als wäre nie etwas gewesen!
(Am Tag darauf ist der See allerdings wegen Sturmwarnung komplett gesperrt!)

 

Nach diesen Tagen völliger Abgeschiedenheit, stürzen wir uns in El Calafate wieder ins Getümmel. Wir wollen zum Gletscher Perito Moreno, dem unbestrittenen Star im südlichen Abschnitt des Nationalparks „Los Glacieres“! Bekannt für seine majestätische Schönheit und seine spektakulären Abbrüche („rupturas“). Alle paar Stunden kracht ein Eisbrocken in Größe eines Busses ab – dieses Schauspiel teilt man dann allerdings mit Tausenden anderer Touristen.

Von mehreren gut ausgebauten Fußwegen aus, schauen wir uns den Gletscher von oben bis unten an.

Und wer kommt hupend um die Ecke, als wir von einem der entfernteren Miradore einen letzten Blick auf den Gletscher Perito Moreno werfen?
„Señor Undertaker“ und seine Frau Naty. Wir werden im breitesten Argentinisch begrüßt und freuen uns, dass wir uns nach ca. 2500 km wieder getroffen haben! Die Welt ist doch klein.

Mit diesen schönen Eindrücken verabschieden wir uns auf ein Neues von Argentinien und fahren im Regen weiter in die benachbarte südchilenische Provinz Magellanes.

 

Die Überfahrt

Unser Schiff hört auf den vertrauenswürdigen Namen „Grande Nigeria“ und soll uns in ca. 32 Tagen von Hamburg nach Montevideo bringen.

Bei der Anmeldung im Schuppen 48 erfahren wir, dass wir garnicht auf dem Schiff registriert sind. Das ist schon mal kein schlechter Anfang! Aber dann klärt sich doch alles noch.

Nach ca. 4 Stunden Wartezeit fahren wir auf´s Schiff und stellen fest, dass das Gefährlichste an Bord die bulgarischen (Renn-) Fahrer sind, die beim Ein- und Ausladen der zahlreichen Schrottautos für Afrika mit gefühlten 100 km/h, quietschenden Reifen und wilden Verfolgungsjagden durch die Gänge der Unterdecks peitschen. Nur gut, dass überall „SLOW!“ und „ Max. 20 km/h „steht.

 

Die Vermutung mit dem Koch hat sich bestätigt. Antonio KANN kochen. Allerdings sind Vitamine nicht so angesagt – also frisches Gemüse und Salat gab´s bis jetzt noch nicht, dafür aber täglich mittags und abends ein 3-Gang-Menü mit Pasta, Pizza, Pesce & Carne. (Gott sei Dank hat uns Luise in weiser Voraussicht eine große Dose mit Vitamin C – Tabletten geschenkt! An dieser Stelle nochmals DANKE!). Ach ja, morgens gibt’s auch Pizzabrot zum Frühstück.

Wir wissen allerdings nicht, ob wir nach 32 Tagen noch in unser Auto passen.

 

Argentinien / El Bolson

El Bolson:
die patagonische Stadt, in der wir in den nächsten Wochen unsere Spanisch-Kenntnisse um die Lektion „En el taller“ („In der Autowerkstatt“) erweitern dürfen. Seitdem beherrschen wir folgende Vokabeln wie im Schlaf: el pistón, la junta, los tornillos, la tapa, los repuestos, las válvulas, los injeciones u.v.m.
(Und nein, Stefan war definitiv nicht schuld!)

Außerdem lernen wir, dass der absolut ungünstigste Zeitraum in einer Werkstatt zu landen, genau jetzt, in der Vorweihnachtszeit ist. Denn dann ist es quasi unmöglich, fehlende Ersatzteile zu bekommen, weil sowohl der Beginn der großen Ferien als auch Weihnachten und Neujahr zusammenfallen und sämtliche Argentinier entweder kurz davor sind, in Urlaub zu fahren oder schon im Urlaub sind.

Aber Argentinier wären keine Argentinier, wenn sie nicht Weltmeister im Improvisieren wären (müssen sie bei 45 % Inflation jährlich auch sein…) und argentinische Automechaniker wären keine argentinischen Automechaniker, wenn sie nicht jedes Auto früher oder später wieder zum Laufen bringen würden.

Kurzum:
wir landen nach einigen Umwegen mit unserem Cruiser in der „Taller Gerardo“.

Dass Gerardo und Alessandro jedes Auto zum Laufen bringen, kann man an den Autos, die hier in der Werkstatt herumstehen gut sehen. Die beiden warnen uns aber schon beim ersten Treffen vor, dass wir für die Reparatur des Cruisers ausreichend Zeit mitbringen müssen…Vorweihnachtszeit und so… (Zitat Alessandro: „Der Winter hier in El Bolson kann sehr schön sein!“)
Fast täglich besuchen wir unseren Cruiser in der Werkstatt, fachsimpeln mit Alessandro auf Spanisch und nerven Gerardo mit unseren Fragen.

Außerdem nutzen wir die Zeit, um El Bolsón genauer kennenzulernen und die Gegend zu erkunden:
es gibt hier u.a. einen schönen Handwerkermarkt, jede Menge Hippies, hervorragende Hausbrauereien, tolle Wanderwege in der Umgebung, eine berüchtigte Eisdiele und eine Bäckerei, die richtig gutes Sauerteigbrot backt.

Es könnte also definitiv schlimmer sein!

Wir beziehen eine Cabana auf dem Campingplatz, mehr Stall als Hütte, aber das Ambiente passt gut zur Weihnachtszeit.

Ein paar Tage vor Heiligabend bekommen wir einen Trostbesuch von Marie-Karmen und Julen!

Die Einladung, gemeinsam mit ihnen Weihnachten 500 km nördlich bei ihren argentinischen Freunden zu feiern, müssen wir leider kurzfristig absagen, da die Reparatur des Cruisers sich doch noch länger hinzieht als geplant…

Mittlerweile kennen wir die halbe Stadt, werden in den Geschäften mit Handschlag begrüßt und vom eigenen Campingplatz-Hund begleitet.

Und dann, pünktlich zu Beginn des Neuen Jahres läuft unser Cruiser wieder (argentinische Speziallösung…) und wir können weiter in den patagonischen Süden fahren.

P.S.:
Unsere Top 5 in El Bolsón:
„El Almacen de Panes“ (Bäckerei); „La Maroma“ (Hausbrauerei); „Jauja“ (Eisdiele & Café); “Luz de Luna“ (tolles Restaurant in Lago Puelo) und last but not least: „Taller Gerardo“ (Autowerkstatt)