Wir kreuzen die Grenze bei Cerro Castillo und fahren über die „Ruta al fin del mundo“ („Straße am Ende der Welt“) ins südchilenische Puerto Natales.
Das kleine Städtchen liegt malerisch an einem Fjord mit Blick auf die patagonischen Anden.
Unser Ziel ist der Nationalpark „Torres del Paine“.
Bedingt durch das nahe Inlandseis gibt es hier ausgeprägte Mikroklimate: während die Steppe im Osten in strahlenden Sonnenschein liegt, kann es wenige Kilometer westlich heftig regnen oder hageln. D.h. u.U. erlebt man alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag.
Die Landschaft wurde von den Eismassen des großen „Campo Hielo Sur“ modelliert, das während der letzten Eiszeit wie ein Panzer über dem Land lag. Nur die höchsten Gipfel ragten aus dem Eiskuchen, so dass das weichere Sedimentgestein erodierte, während der harte Granit stehenblieb. Inzwischen hat sich das Eis bis auf vier Gletscher zurückgezogen.
Auf mehreren Wanderungen können wir die raue Schönheit des Parks und natürlich die markanten Granitnadeln, die zweifarbigen Torres und Cuernos del Paine, bewundern.
Da wir weiter auf chilenischer Seite über die berüchtigte „Carretera Austral“ bis nach Puerto Montt fahren wollen, müssen wir einen ca. 700 km langen Umweg über Argentinien in Kauf nehmen.Hört sich merkwürdig an, ist aber so.
Es fehlt nämlich ein kleines (ca. 30 km) aber entscheidendes Verbindungsstück vom chilenischen NP Torres del Paine zur chilenischen Carretera Austral, das vom Nationalpark aus zwar gewandert oder geritten, aber leider definitiv nicht mit dem Auto gefahren werden kann…
(Die einzige Möglichkeit, sich die Fahrt durch die argentinische Pampa zu sparen, wäre eine Autofähre, die seit diesem Jahr Puerto Natales mit Puerto Yungay verbindet – aber diese Fähre ist leider schon seit Monaten ausgebucht.)
Ok. Also steigen wir wieder in den Cruiser und fahren zwei Tage lang durch die Pampa zurück…
Bevor wir endlich die Grenze am einsamen „Paso de Roballos“erreichen, verbringen wir noch eine Nacht in der Wildnis.
Das Grenzhäuschen liegt mitten im Nichts und wird von zwei argentinischen Grenzbeamten verwaltet. Nachdem die Formalitäten erledigt sind, nehmen wir einen netten Jogger mit, der eine Mitfahrgelegenheit sucht. Der argentinische Zollbeamte zwinkert uns zu und bemerkt, dass uns gerade die Ehre zuteil wird, den Chef des lokalen chilenischen Grenzbatallions zu transportieren.
Und so lernen wir Claudio kennen.
Und es stimmt. Claudio ist Chef des gesamten Militärstützpunkts, der genau aus einer Person, nämlich aus ihm, besteht. Er hält hier auf chilenischer Seite die Stellung für sein Vaterland: d.h. er kümmert sich um sämtliche Gebäude, pflegt die Außenanlagen, schaut, dass alles funktioniert. Vor Jahrzehnten war dieser Militärposten mal mit Dutzenden von Soldaten belegt, aber schon seit geraumer Zeit lebt und arbeitet er hier alleine.
Um nicht total zu versauern, joggt er regelmäßig zu den benachbarten Grenzhäuschen, um hie und da mal ein Schwätzchen zu halten oder einen Mate zu trinken.
Als Dank fürs Fahren, lädt Claudio uns zum Frühstück ein. Da sagen wir nicht Nein! Über eine Stunde lang tauschen wir uns aus und Claudio bedauert, dass die Touristen, die hier vorbeifahren leider nie anhalten. Wir wären die ersten, die ihn besuchen. Auf unseren Vorschlag hin, doch ein Schild mit „Hier gibt´s Frühstück“ hinzustellen, schüttelt er den Kopf. Das darf er dann doch nicht. Schade eigentlich!
Weiter geht es zum nächsten chilenischen Nationalpark. Unterwegs läuft uns schon mal ein kleines Gürteltier über den Weg.
Nach ein paar Kilometern legen wir einen kleinen Zwischenstopp ein und pflücken Calafate-Beeren für unser Müsli. Die Beeren schmecken wie eine Mischung aus Heidelbeeren und schwarzen Johannisbeeren, haben allerdings ziemlich viele Kerne. Man sagt, wer je Calafate gegessen hat, wird immer wieder nach Patagonien zurückkehren…
Der „Parque Patagonia“ liegt wunderschön zwischen sanften grünen Hügeln mit Blick auf schneebedeckte Berge und Unmengen von Vicunas.
Es gibt zahlreiche Wanderwege zu Wasserfällen und Lagunen.
Er ist ein Projekt der Witwe von Douglas Tompkins (Gründer von Northface und Esprit) und zur Zeit noch in privater Hand. Geplant ist aber, dass sich dieser Park in naher Zukunft binational über Chile und Argentinien erstrecken und dann in staatliche Hand übergeben werden soll.
Auf dem Campingplatz müssen wir uns wieder etwas genauer mit unserem Cruiser befassen und erregen damit die Aufmerksamkeit von Fernando und Andrea aus Buenos Aires, die hier ebenfalls zelten.
Wir kommen ins Gespräch und Fernando erzählt, dass er einen alten Landrover besitzt, an dem er auch immer wieder was schrauben muss. Über die paar Tropfen Ölverlust, die wir vermuten, kann er nur müde lächeln. So was sei doch ganz normal, kein Grund zur Sorge…immer diese überbesorgten Deutschen… – ob wir übrigens die Folge der Simpsons über die überbesorgten Deutschen kennen würden…wäre total super…
Wir verabreden uns kurzentschlossen für später im parkeigenen Restaurant und verbringen einen sehr vergnüglichen und kurzweiligen Abend mit den beiden.
Als wir am nächsten Morgen aufstehen, blickt uns eine sehr dicke, sehr dunkle Wolkenwand drohend entgegen. Das sieht nicht gut aus – eigentlich wollten wir die Lagunenwanderung machen, aber angesichts des Wetters sehen wir davon ab… zu präsent haben wir noch die Schilderung von Fernando und Andrea im Ohr, die am Tag davor selbige Tour fünf Stunden im Regen gewandert sind…
Also fahren wir mit dem Cruiser weiter und erreichen am Parkausgang die Carretera Austral. Sie scheint ihrem Ruf, ein richtiges Regenloch zu sein, alle Ehre zu machen!
(Kleiner Exkurs „Carretera Austral“ (Ruta 7): ursprünglich ein Projekt des Diktators Pinochet, der damit weite Teile Nordpatagoniens erschließen wollte, die bis dahin nicht oder nur mit Schiff zugänglich waren. Begonnen wurde mit dem Bau der 1240 km langen Straße in den 70ger Jahren, zahlreiche Flüsse und Bäche mussten dabei überbrückt werden und mittlerweile ist sie bis zu zu 40% asphaltiert. Da die chilenischen Regierung die gesamte Strecke bis 2019 asphaltiert haben möchte, gibt es z. Zt. unterwegs entsprechend viele Baustellen.)
Es geht (im Regen) vorbei an Wäldern, Baustellen, Moorlandschaften, Baustellen, grünen Gletscherflüssen, Baustellen bis zum Lago General Carrera.
Dort übernachten wir in Puerto Rio Tranquillo auf einem ziemlich gut besuchten Campingplatz – hier soll es die beste Internetverbindung im Dorf geben. Das stimmt zwar, aber dafür muss man schon morgens um 5:30 online gehen, bevor die übrigen Gäste wach sind, sonst ist das Netz nämlich komplett überlastet und nichts geht mehr!
Per Boot machen wir am nächsten Morgen einen Ausflug zu den „Capillas de Marmol“.
Weiter geht´s über Villa Cerro Castillo und Coyhaique (wo wir unsere Fährtentickets für ein Teilstück der Carretera Austral kaufen) in den Parque Nacional Queulat mit seinem dichten, grünen Urwald, Flüssen und Gletschern.
Wir wandern hier zum Highlight der Region: dem Gletscher „Ventisquero Colgate“, der mehrere hundert Meter drohend über einem Gletschersee hängt.
Der Weg dorthin führt zunächst über eine Hängebrücke, dann durch dichten patagonischen Regenwald immer berghoch und diesmal wandern wir wirklich fünf Stunden im Regen.
Leider ist der Blick auf den Gletscher aufgrund der Wetterlage ziemlich bescheiden, aber auf dem Rückweg entdecken wir immerhin ein paar große, rotköpfige Spechte in den Baumkronen.
Am Lago Yelcho vorbei geht es nach Chaitén, dem Ort der 2008 wegen eines Vulkanausbruchs komplett evakuiert, anschließend vollständig zerstört und daraufhin wieder an selbiger Stelle komplett aufgebaut wurde.
Wir wollen weiter zum nördlich von Chaitén gelegenen Parque Pumalin, einem der größten privaten Naturschutzparks der Welt, ebenfalls gegründet von dem verstorbenen nordamerikanischen Millionär Douglas Tompkins.
Ziel des Parks war u.a. der Schutz der patagonischen Regenwilder – daher hatte Tompkins zu Beginn seines Engagements gegen heftigen Widerstand der Holzindustrie zu kämpfen, die natürlich um ihre Pfründe fürchteten.
Auf über 2900 qkm erstrecken sich fast unberührter Wald, Flüsse, Gletscher, Fjorde, Wasserfälle und Vulkane.
Ebenso vielfältig wie die Landschaft, sind auch die Wandermöglichkeiten.
Der „Sendero los Alerces“ führt z.B. durch einen tausendjährigen Alercenwald, überall wachsen filigrane Moose und Farne.
Mit der Fähre geht es von Caleta Gonzalo, dem touristischen Zentrum des Parks, über einen Fjord weiter bis nach Hornipirén – dieser Teil der Strecke gehört auch zur Carretera Austral, eine alternative Straßenverbindung gibt es hier nicht.
Unterwegs beobachten wir Pelikane und hin und wieder Pinguine, die sich von den Wellen hin und her schaukeln lassen.
Das letzte Teilstück der Carretera Austral bis Puerto Montt fahren wir wieder auf dem Landweg und lassen damit den wilden, regenreichen und unberührten großen Süden Chiles hinter uns.