Peru / on the road

Wir reisen über Desaguadero nach Peru ein. (Desaguadero gilt als einer einer der miesesten Grenzübergänge ganz Südamerikas – aber das wissen wir glücklicher Weise zu diesem Zeitpunkt noch nicht.)

Es beginnt damit, dass wir auf dem Weg zum Zoll von einem Polizisten gestoppt werden. Wir halten ein bisschen Smallltalk (woher? wohin? usw.) und plötzlich erwähnt er ganz nebenbei etwas wie: es wäre besser, wenn wir mit der Polizei kooperieren würden… Wie bitte? Kooperation? Bestechungsgeld? Wir lehnen entrüstet ab: Polizist sei ein ehrenwerter Beruf in Deutschland! Niemals könnten wir einen Polizisten bestechen! Unvorstellbar! Wir reisen seit Monaten unbehelligt durch Südamerika – und jetzt das… usw. Nach einiger Zeit lässt er uns entnervt mit einem: Jajaja, tranquilo – das sei ja nicht obligatorisch… zum Grenzübergang (allerdings zum falschen, nämlich den für LKWs) weiterziehen.

Nachdem wir schnell herausgefunden haben, dass wir hier verkehrt sind, geht es weiter mit der Suche nach dem richtigen Grenzübergang. Dazu müssen wir wieder mitten durch den Ort, durch schmale, vollgestopfte Gassen, an Marktständen vorbei, bis wir endlich die kleine Grenzbrücke erreichen. Die bolivianischen Grenzformalitäten sind schnell erledigt. Um auf die andere Seite zum peruanischen Zoll gelangen zu können, müssen wir allerdings zuerst einmal über die Brücke. Für diese kurze Strecke wird erstaunlicherweise Wegegeld verlangt, umgerechnet ca. 2 Euro. (Wir haben von anderen Reisenden gehört, die dafür 150 US $ bezahlen sollten!)
Auf der Brücke kommen uns von allen Seiten kleine Tuktus und Holzkarren mit den unterschiedlichsten Waren werden entgegen… es ist ziemlich chaotisch und dazu kommt, dass wir schon relativ spät dran sind und es allmählich dämmert.

Die peruanischen Grenzformalitäten ziehen sich endlos in die Länge. Um mit dem Cruiser einreisen zu können, müssen wir zuerst einmal eine überteuerte Autoversicherung abschließen, die bar in peruanischen Soles zu bezahlen ist – und der Kurs zum Geldwechseln ist natürlich auch unterirdisch. Wir sind von Allem ziemlich genervt, aber es gibt momentan keine Alternative… was für ein Empfang in Peru!
Erst im Dunkeln können wir den Zoll verlassen und uns einen Übernachtungsplatz suchen. (In Reiseführern wird ausdrücklich davor gewarnt, nachts in Peru Auto zu fahren, u.a. deswegen, weil die meisten Autos ohne Licht fahren würden. Aber wir erleben genau das Gegenteil: sie fahren alle mit Licht – und zwar mit Fernlicht! Auch nicht viel besser…)

Nach einer ruhigen Nacht auf dem Marktplatz von Juli geht es am nächsten Tag weiter nach Sillustani.


Sillustani ist bekannt für seine steinernen Grabtürme („Chullpas“). Diese Grabtürme, vom Volk der Collas erbaut, waren oft mehrere Meter hoch und mit einem Strohdach oder Steinplatten abgedeckt. In den Türmen wurden wichtige verstorbene Persönlichkeiten samt Familienmitgliedern, Dienern, Nahrungsmitteln und Besitztümern eingemauert. Es ist nicht bekannt, wann die Begräbnisstätte gebaut wurde, man weiß nur dass es vor der Eroberung durch die Inka war.

Wir verlassen die Gegend um den Titicacasee, bleiben aber noch im Andenhochland und fahren Richtung Westen ins Colca-Tal.

Zwischendurch nehmen wir zwei Tramper samt großen grünen Sack mit.
Burkhard hilft beim Einladen: der Sack ist ziemlich schwer und fühlt sich warm und weich an. Im Scherz fragt er, ob sich im Sack ein totes Lama befindet – Volltreffer!

Seit Jahrhunderten werden im Colca-Tal an terrassierten Hängen Mais, Bohnen, Kartoffeln, sowie zahlreiche Obst- und Gemüsesorten angepflanzt.
Viele dieser Hänge und künstliche Bewässerungskanäle wurden schon in präinkaischer Zeit (d.h. vor dem 13.Jhd.) angelegt.

In das grüne Tal hat der Rio Colca über Jahrmillionen eine tiefe Schlucht gegraben, den Colca-Canyon. An seiner tiefsten Stelle ist er 3400m tief und stellt damit den Grand Canyon in den Schatten!

Außerdem ist er einer der wenigen Orte in Peru, wo man die Gelegenheit hat, frei lebende Kondore aus nächster Nähe zu beobachten.

Weiter geht es über die westlichen Andenkordilleren, vorbei an aktiven Vulkanen und immer trockener werdenden Landschaften bis zur Pazifikküste.

Der schmale Küstenstreifen Perus, zwischen Pazifik und Anden gelegen, ist weitgehend eine Küstenwüste nur unterbrochen von den Flussoasen der Flüsse, die es bis hierhin aus den Anden schaffen.
Er erstreckt sich über eine Länge von 3180 km von der chilenischen bis zur ecuadorianischen Grenze, mit einer Breite im Norden von 150km und im Süden von nur 30 km.

Die Panamericana führt uns küstennah und kurvig immer weiter Richtung Norden.
Wir passieren Sanddünen, die an die Sahara erinnern und Sandverwehungen sind an der Tagesordnung… ohne regelmäßiges Freiräumen mit dem Bagger wäre kein Durchkommen möglich!

Reifen abfackeln verboten…- auch in Peru wird gerne gestreikt!

Auf unserer Route kommen wir direkt an den berühmten Nazca-Linien vorbei, bzw. wir fahren praktisch darüber, denn unglücklicherweise wurde die Panamericana vor Jahrzehnten so gebaut, dass sie dem 188 m langem Scharrbild „Die Eidechse“ den Schwanz durchschneidet…

Von einem Aussichtsturm aus, schauen wir uns einige Bilder von oben an.
Bei den Linien von Nazca handelt es sich um gigantische Bodenzeichnungen, in Form geometrischer Muster oder Abbildungen von Tieren, Pflanzen oder Menschen, die vor über 2000 Jahren von den Nazca in den Wüstenboden geritzt wurden. Man nimmt an, dass es sich dabei um einen astronomischen Kalender handelt, anhand dessen Aussaat, Ernte und Beginn der Regenzeit in den Anden bestimmt werden konnte.
(Die Nazca-Linien wurden übrigens ausführlich von der deutschen Mathematikerin und Geographin Maria Reiche erforscht. Sie wurde dafür 1981 mit dem höchsten Orden des Landes, dem Sonnenorden, geehrt.)

Wir fahren weiter bis nach Lima, wo wir ein paar Tage verbringen und danach geht es wieder die endlose Pazifikküste entlang…

Unterwegs kommen wir an vielen altperuanische Kulturstätten vorbei. Ganz besonders erwähnenswert ist dabei der Ruinenkomplex von „Chan-Chan“, 5 km westlich von Trujillo gelegen.
Er war die größte vorkolumbische Stadt des gesamten Kontinents und ist die größte Lehmziegelstadt der Welt. Mit dem Bau wurde im 9.Jhd. n. Chr. unter den Moché begonnen und unter den Chimú lebten in ihrer Blütezeit im 14. Jhd. dort mehr als 100 000 Einwohner. Die Stadt beherbergte unermessliche Gold-, Silber- und Keramikschätze!

Da Chan-Chan komplett aus luftgetrockneten Ziegeln gebaut ist, richteten Naturkatastrophen, v.a. sintflutartige Regenfälle (El Nino) oder Erdbeben im Laufe der Zeit große Schäden an. Außerdem wurden viele Grabstätten im 16.Jhd. von goldgierigen Spaniern geräubert. Trotz allem lassen sich Größe und Pracht von Chan-Chan immer noch erahnen!

Auch ausgesprochen gut gefallen hat uns das „Museo de Tumbas Reales de Sipán“ in Lambayeque.
Das Museum, 2002 eingeweiht und im Stil einer Moché-Pyramide gebaut, ist eines der schönsten und best aufbereitetsten Museen ganz Südamerikas und stellt auf drei Stockwerken die Fundstücke der Gräber von Sipán aus.
Hierbei handelte es sich um einen der spektakulärsten Grabfunde des Kontinents! Ein archäologischer Volltreffer auch deswegen, weil die nahezu vollständigen Gräber sehr viel Informationen über das Leben und Sterben der Mochica (100-800 n. Chr.) lieferten.
Bei der ersten Grabung 1987 stießen die Forscher auf den „Senor de Sipán“, einen ca. 40-jährigen Mochica-Herrscher, der in seinem 1700 Jahre altem Grab von acht weiteren Personen, darunter Frauen, Sklaven und Krieger umgeben war. Grabbeigaben: eine mehrteilige goldene Totenmaske, silberne Sandalen, zahlreiche Edelsteine, sehr viel Goldschmuck, Muschelketten, Silberschmuck, hunderte von Keramikgefäßen…
Bei weiteren Grabungen in Sipán stieß man 1988 auf das zweihundert Jahre ältere „Grab des Alten Herrschers von Sipán“ und 1990 auf das „Grab des Priesters“, beide vollkommen unberührt und mit unermesslichen Schätzen für ein Leben im Jenseits ausgestattet.
Neben der Ausstellung des prächtigen Grabschmucks findet man im Museum auch viele Informationen über die Gesellschaft und das Weltbild der Mochica, bekommt einen Einblick in die Arbeit der Archäologen und kann sich die Nachbildung der Grabstätten mit den originalen Knochenresten anschauen. (Leider ist Fotografieren im gesamten Museum verboten!)

Wer sich näher über die präkolumbischen Hochkulturen Perus (u.a. auch über die Nazca, Moché, Chimú, usw.) informieren und sich ihre faszinierenden Goldarbeiten im Original anschauen will, dem sei die aktuelle Ausstellung „Inka-Gold“ (Mai- November 2017) im Weltkulturerbe Völklinger Hütte ans Herz gelegt!

Peru

Peru ist das drittgrößte Land Südamerikas, damit viermal so groß wie Deutschland und, um wieder einen beliebten Tagesschau-Größenvergleich zu bemühen, 500mal so groß wie das Saarland.

Also ziemlich groß – und das ist leider genau unser (Luxus-) Problem…

Da wir uns mittlerweile dazu entschlossen haben, unseren Cruiser ab Cartagena (Kolumbien) zu verschiffen, läuft uns allmählich die Zeit davon und so müssen wir schweren Herzens, sowohl Peru als auch Ecuador mehr oder weniger überspringen, um genügend Zeit für Kolumbien zu haben.

Trotzdem können wir während unsrer „Durchreise“ einen kurzen Blick auf Perus Natur- und Kulturlandschaften werfen –
und das, was wir sehen ist beeindruckend!

Bolivien/ Natur & Kultur

Über eine landschaftlich reizvolle Strecke gelangen wir zum Nationalpark „Torotoro“. Da Fahrten auf „landschaftlich reizvollen Strecken“ meistens ziemlich zeitaufwendig sind, legen wir unterwegs noch eine Übernachtung im Grünen ein, bevor es am nächsten Morgen weitergeht.

Mit seinen 165 Quadratkilometern ist „Torotoro“ zwar der kleinste aller bolivianischen Nationalparks, aber auch einer der schönsten! Er erstreckt sich über Höhenlagen von 1900 – 3600m.
(Das Wort „Toro-Toto“ kommt übrigens aus der Sprache der Aymara und bedeutet so viel wie „Matsch-Matsch“, also „viel Matsch“. Aus eigener Erfahrung können wir bestätigen, dass der Name passend gewählt wurde!)

Hauptattraktion des Parks sind rund 2500 versteinerte Dinosaurierspuren, die über 60 Millionen Jahre alt sind und von verschiedenen Arten der Urgiganten hinterlassen wurden.
Da der Park kaum Forschungsgelder bekommt und sich die Parkguides ihr Wissen über die Jahre daher größtenteils selbst (seit vier Jahren gibt es hier Internet) bzw. mit Hilfe von fachkundige Touristen aneignen mussten, gibt es hier für Archäologen noch viel zu entdecken! Die Hügel, die das Dorf Torotoro umgeben sind mit Spuren übersät!

Noch faszinierender als die versteinerten Spuren finden wir die Landschaft dieser Gegend mit ihren tiefeingeschnittenen Tälern und den bunt aufgefalteten Gebirgsketten!

 

 

Auf unseren Wanderungen besuchen wir die „Ciudad de las piedras“ (Stadt der Steine)…

…und steigen unerschrocken in die (stockfinstere) Tropfsteinhöhle Umajalanta.
Nun ist ganzer Körpereinsatz gefragt: wir krabbeln, rutschen und klettern über den schmierigen Höhlenboden. Bis zum Höhlensee, in dem blinde Katzenfische leben, kommen wir aber nicht, weil wir uns in der Regenzeit befinden und ein Teil der Höhle daher nicht zugänglich ist.

Und weiter geht´s…

Da auf dem Land gute Busverbindungen bekanntermaßen dünn gesät sind, nehmen wir auf unserem weiteren Weg durch Zentralbolivien, immer mal wieder Anhalter mit – mal mit mehr, mal mit weniger Gepäck…

In diesem Fall nehmen wir eine Marktfrau zur nächsten größeren Stadt mit – was in dem blauen Sack drin war, ist uns immer noch ein Rätsel… es hat auf jeden Fall noch tagelang ziemlich streng im Auto gerochen…

Im Osten des Altiplano besuchen wir eines der wichtigsten bolivianischen Inkabauwerke, die Inka-Ruinen „Incallajta“ („Land des Inka“).

Hierhin verirren sich nur wenige Touristen. Die Bolivianerin, die uns die Parktickets verkauft, hat daher zwischendurch genügend Zeit, Alpaca-Wolle mit Hilfe einer Handspindel zu Garn aufzuwickeln. (Das Textilhandwerk und das Weben im Andenraum wird seit Tausenden von Jahren praktiziert (ältester Fund: 2500v. Chr.!), und einige Techniken, wie das Aufwickeln der Wolle zu Garn, blieben seitdem unverändert!

Die Inka waren eine Herrscherdynastie im mittleren Andenraum (1200 n.Chr. – 1572 n. Chr.), deren gewaltiges Reich die heutigen Länder Ecuador, Peru, Bolivien sowie Teile von Argentinien und Chile umfasste.
In Incallajta befand sich einst der südöstlichste Außenposten des Inkareichs. Die Anlage wurde um 1460 gebaut und aufgrund ihrer strategischen Lage – Begrenzung auf der einen Seite durch einen Fluss und auf der anderen durch eine Felswand – gut zu verteidigen.
Um 1525 wurde Incallajta von den Inka wieder aufgegeben, 1914 wurde sie wiederentdeckt und 1988 bolivianisches Nationalmonument.

Wir besichtigen die Anlage gemeinsam mit unseren französischen Freunden Marie-Francoise & Jean-Michel, ihres Zeichens furchtlose Defender-Offroad-Fahrer, Speälologen (Höhlentaucher) und Gourmets.

Am Abend wird gemeinsam gegrillt & Pisco getrunken & im Anschluss musiziert…

 

Ein weiteres kulturelles Highlight auf unserer Bolivien-Reise, an der Grenze zu Peru und in direkter Nähe zum Titicacaee gelegen, ist die präkolumbische Kulturstätte, Tiwanaku, seit dem Jahr 2000 Weltkulturerbe.

Die Tiwanaku-Kultur, auf einen Zeitraum von 1000 v. – 1000 n. Chr. datiert, beeinflusste über einen Zeitraum von 2000 Jahre (!) das heutige Peru, Bolivien und den Norden Chiles und verschwand dann plötzlich auf ungeklärte Weise.
V.a. die innovativen Erfindungen der Tiwanaku beeindrucken bis heute: sie erfanden Verfahren zum Gefriertrocknen von Kartoffeln und zum Trocknen von Fleisch, legten spezielle Hochfelder (Sukakullos) an, die (heute noch) wesentlich ertragreichere Ernten ermöglichen als herkömmliche Felder, entwickelten ausgeklügelte Bewässerungsverfahren und verbanden als einzige amerikanische Kultur Steinstrukturen mit Bronzeklammern.
D.h. es gelang ihnen mit Hilfe o.g. ausgeklügelter landwirtschaftlicher Techniken nicht nur auf einer unwirtlichen 3800m hohen Hochebene zu überleben, sondern auch Überschüsse zu erzeugen, mit denen sie Handel treiben konnten.

Man vermutet, dass es sich bei der Stätte sowohl um die politische Hauptstadt der Tiwanaku als auch um ihr wichtigstes religiöses Zentrum handelte.
Die gesamte Anlage erstreckte sich in ihrer Blütezeit über 5 Quadratkilometer, war von weiteren 80 Quadratkilometern Agrarfläche umgeben und wahrscheinlich lebten hier bis zu 100 000 Menschen! Von den zahlreichen Lehmziegel-Häusern, die die Stadt umgaben ist kaum etwas übrig geblieben, aber Reste der Gebäude aus Basalt und Sandstein sind noch auf dem Gelände vorhanden – man weiß bis heute nicht, wie die Tiwanaku die teils mehr als 100 t schweren Gesteinsbrocken aus den kilometerweit entfernten Steinbrüchen hierher transportieren konnten.

Berühmtestes Bauwerk auf dem Gelände ist das große Sonnentor, das aus einem einzigen 2,80m hohen und 3,80m breiten Steinmonolith gehauen wurde. Das Tor stellt die Figur des Schöpfergottes (Thunupa) dar: der Kopf ist von einem Strahlenkranz umgeben und in den Händen hält er Zepter, deren Enden mit Kondor- (Symbol für Himmel) und Schlangenköpfen (Symbol für Unterwelt) versehen sind. Von seinen Armen hängen Menschenköpfe…

Leider ist insgesamt nicht mehr viel von der gewaltigen Anlage übrig – noch im letzten Jahrhundert wurden Steinblöcke der Anlage gesprengt, um sie als Baumaterial für Häuser bzw. für den Bau der nahegelegenen Eisenbahnlinie zu benutzen…

Auch wenn die Tiwanaku-Kultur vor über 1000 Jahren verschwunden ist, ist die Stätte heute immer noch ein wichtiges Symbol für die Aymara, die hier zur Wintersonnenwende ihren Berggöttern Opfer bringen.

Bolivien / Städte

La Paz…
die höchstgelegenste Großstadt der Erde.

Alleine schon die Anfahrt über El Alto (auf ca. 4000 m) ins Zentrum bzw. in die Vororte von La Paz (die zum Teil über 1500 Höhenmeter tiefer liegen!) verschlägt uns den Atem – und das liegt nicht nur am Smog. Wir haben das Gefühl über die Kante des Altiplano in die Tiefe zu stürzen, denn die Straßen der Hänge, an denen Häuser und Wellblechhütten zu kleben scheinen, ziehen sich teilweise in extremer Steillage in den Talkessel hinab.

Und tatsächlich müssen wir auf einer unserer Fahrten durch die Stadt eine sehr kurze, sehr steile Straße beim Hinauffahren auslassen, da wir das Gefühl haben, gleich nach hinten zu kippen…! Unser Bordcomputer zeigt fast 25 Grad Steigung an. Hört sich harmlos an, ist aber ziemlich heftig! Kurzum: in einer Stadt wie La Paz sollte man im Navi besser nicht die Suchoption „kürzeste Strecke“ eingeben.

Um uns herum tobt der Straßenverkehr, es wird gehupt, überholt, zwischen die Kleinbusse drängeln sich Motorräder, Fußgänger, Fahrradfahrer… es herrscht das reinste Chaos! Das, was Ampeln und Verkehrsschilder anzeigen, scheint nur eine Option von vielen zu sein und aus einer eigentlich 4-spurigen Straße wird schnell mal eine 9-spurige.

Nach unserer Ankunft auf dem Campingplatz steigen wir in die stadteigene Teleferico (Seilbahn) und schauen uns schwebend, in friedlicher Stille und mit mehr frischer Luft das ganze Treiben von oben an.

Wieder auf dem Boden angekommen, besichtigen wir die Altstadt von La Paz.

Zufällig findet in der Basilika San Francisco ein Gottesdienst statt und während wir den inbrünstig gesungenen Liedern lauschen, kommt uns die ein oder andere Melodie sehr bekannt vor… ganz klar Simon & Garfunkel (eine Melodie war eindeutig „Sound of silence“). Aber wer jetzt bei wem geklaut hat…?

Viele Straßenzüge der Altstadt werden von Marktständen gesäumt und man bekommt hier alles, was man so im bolivianischen Alltag benötigt: Fußballtrikots, bunte Unterröcke, Hüte, Heilkräuter und Lama-Föten …

Am Straßenrand verkaufen Cholitas Hühnchen mit Reis und Empanadas. Unübertroffen in Vielfalt und Unübersichtlichkeit ist allerdings der inoffiziell offizielle riesige Schwarzmarkt in El Alto!

Mit Gert, einem Lübecker, der seit über 35 Jahren in La Paz lebt, machen wir am nächsten Tag eine Stadtführung.
Von ihm erfahren wir interessante Sachen über Coca-Anbau, gebrauchte Waschmaschinen (in El Alto kaum noch zu bekommen – man munkelt, sie werden alle für die Herstellung von Coca-Paste verwendet), Atomkraftwerke (für La Paz ist eins in Planung), Trinkwasserversorgung (in den Sommermonaten eine Katastrophe), bolivianische Satelliten (ja, Bolivien besitzt tatsächlich einen) und, dass an Straßenlaternen hängende Puppen „Achtsame Nachbarschaft“ bedeuten, allerdings auf bolivianische Art (d.h. hier werden gefasste Diebe verprügelt bzw. auch schon mal gehängt…)

Auf unserer Tour landen wir in der „Hexengasse“ von El Alto. Hier reihen sich kleine, bunt bemalte Bretterbuden dicht aneinander, an den Türen hängen Schilder auf denen Yatiris (bolivianische Schamanen) ihre Heilkünste anpreisen, vor den Buden brennen in Metallschalen kleine Feuerchen, in denen Opfergaben verbrannt werden.

 

Dieser Brauch heißt „Wajíra“ und wurzelt in präinkaischer Zeit. Je nach Anliegen (Liebe/Geld/Erfolg/Glück) wird von einem Yatiri ein individueller Opfertisch zusammengestellt und normalerweise werden die Opfergaben dann auf der Erde, als Geschenk an Pachamama verbrannt. Da das in Städten aber nicht erlaubt ist, werden dort für diesen Zweck kleine Öfen benutzt. Das Übergießen der rituellen Gegenstände mit Alkohol besiegelt die Zeremonie.

In der Kolonialzeit waren die Bräuche verboten und wurden nur heimlich ausgeführt, aber seit den 80ger Jahren werden sie mehr und mehr wiederentdeckt und mittlerweile ganz offiziell ausgeübt.

Gert erzählt uns, dass die Tradition des Wajíra im bolivianischen Alltag stark verankert sei. Als er zusammen mit seiner (bolivianischen) Frau ein Haus gebaut habe, war es quasi Pflicht, einen Yatiri zu beauftragen, der den Rohbau segnet, inklusive Vergraben von Lama-Föten in allen vier Ecken des Hauses und Opfertisch. Er selbst halte von solchem Hokuspokus nichts, aber ohne Zeremonie, hätte kein Arbeiter am Haus weiter gemacht, da eine fehlende Segnung Unglück für alle Beteiligten bedeutet hätte.

Neugierig und mit gebührendem Abstand beobachten wir das Treiben um uns herum.

Wie es der Zufall will, treffen wir vor einer dieser Buden Claudia, eine langjährige Bekannte von Gert. Sie hat einen Termin bei ihrem Yatiri und wartet auf Einlass.
Wir nutzen die Wartezeit für ein kleines Gespräch. Sie ist ganz offen und erzählt uns, dass sie sich hier immer Rat holt, wenn eine schwierige Entscheidung bevorsteht. Dazu muss man wissen, dass Claudia eine sehr gebildete Frau ist, fließend deutsch spricht, mehrere Studiengänge absolviert hat (zur Zeit studiert sie Jura) und auch lange Zeit kirchlich aktiv war – eine interessante Kombination.
Spontan lädt sie uns ein, mit in ihre Sitzung zu kommen und uns das Ganze mal anzuschauen – natürlich nur, wenn wir wollen. Klar wollen wir!

Kurze Zeit später öffnet der Yatiri Valentin Kilikilini seine kleine Bretterbude für uns. Er ist mit unserem Besuch einverstanden, begrüßt uns freundlich und dann quetschen wir uns zu Viert auf eine kleine Holzbank, die eigentlich nur für maximal drei Personen gedacht ist. Im Inneren ist es relativ dunkel und riecht nach Alkohol. Auf einem Tisch stehen ein (echter) Totenkopf mit ausgestopften Augen, ein heiliger Stein, ein Sack voll Coca-Blätter, Karten, kleine Plastikflaschen mit Hochprozentigem. An der Wand hängen ein Kreuz, Fotos von Valentin in traditioneller Tracht und christliche Heiligenbilder.

Claudia stellt ihr persönliches Anliegen mit konkreten Fragen vor. Anschließend befragt der Yatiri, unter Anrufung von Pachamama und diversen Heiligen, dazu zuerst die Karten und liest danach aus Coca-Blättern. Er murmelt Wörter in einer uns unverständlichen Sprache und spritzt zwischendurch immer wieder hochprozentigen Alkohol darauf.
Nachdem Claudias Anliegen ausreichend beratschlagt worden ist, kommt Burkhard an die Reihe…

P.S.: Übrigens war Valentin Kilikilini einer der engsten Berater von Evo Morales in dessen erster Amtszeit, was zeigt, welch große Bedeutung Yatiris in der bolivianischen Gesellschaft beigemessen wird.

Nach der Sitzung bei Valentin setzen wir unseren Stadtrandgang fort. Diesmal zu Viert, Claudia begleitet uns.

Zum Abschluss des Tages schauen wir uns noch das Gefängnis San Pedro von Außen an. Es liegt an der Plaza Sucre, mitten in der Stadt, ist das größte Gefängnis Boliviens und weltweit ziemlich einzigartig, da es von seinen Insassen selbst verwaltet wird. Seitdem aber ein Fernsehteam aus Europa heimlich einen Film über San Pedro gemacht hat (mit dem Ergebnis, dass man hier die besten Drogen bekommt), ist ein Besuch für Touristen leider nicht mehr möglich.

Einige Tage später stoßen wir Süden von La Paz zu unserer Freude auf ein großartiges Restaurant: das „Gustú“.

Die Betreiber haben sich zur Aufgabe gemacht, die Vielfalt bolivianischer Produkte (neu) zu entdecken und ausschließlich damit zu kochen. Das Konzept hat sich bewährt: 2016 wurde eine der Köchinnen zur besten Köchin Südamerikas und das Gustú zum besten Restaurants Boliviens gewählt!

Mit viel Glück bekommen wir kurzfristig für abends einen Tisch – und nicht nur das, wir dürfen sogar in der Küche sitzen und bei der Zubereitung unseres 17-gängigen bolivianischen Degustationsmenüs zuschauen!

 

… einer der vielen kleinen leckeren Zwischengänge…

Weiter geht´s in den südlichen Teil des Altiplano nach Sucre, der verfassungsgemäßen Hauptstadt Boliviens. Sucre, 1538 gegründet, ist mit 240 000 Einwohnern zwar wesentlich kleiner als La Paz, aber historisch bedeutsamer.

Hier wurde nicht nur 1809 in der Iglesia de San Francisco die bolivianischen Freiheitsglocke geläutet, die die Unabhängigkeitskämpfer zum Aufstand rief…

… sondern 1825 auch die Unabhängigkeit Boliviens erklärt und die Unabhängigkeitsurkunde unterzeichnet.

Außerdem findet man in Sucre die erste Universität des Landes, viele sehenswürdige Kirchen, interessante Museen, gemütliche Plätze und viel gut erhaltene koloniale Gebäude. Für eine bolivianische Stadt wirkt sie erstaunlich aufgeräumt und europäisch.

Nicht zu vergessen: es gibt hier auch einen tollen Markt!

In der Altstadt werden in vielen Geschäften Charangos verkauft. Allerdings nur welche, die man dekorativ an die Wand hängen kann und entsprechend klingen… (Charangos sind mandolinenartige Saiteninstrumente und neben der Planflöte das bekannteste Instrument der Anden. Früher wurde als Schallkörper meist die Schale eines Gürteltiers verwendet, was heute verboten ist!). Unser „Herbergsvater“ Alberto, seines Zeichens Professor für Elektrotechnik und passionierter Charangospieler, ist so nett und hilft uns nicht nur eine richtig gute zu finden, sondern zeigt uns auch, wie man sie spielt.

Da wir in der Karwoche in Sucre angekommen sind und die Stadt sehr katholisch ist, ist hier quasi die Hölle los!

Die Kirchen sind zu den Gottesdiensten proppenvoll und ab Palmsonntag werden überall in der Stadt aus Schilf gebastelte Gegenstände (Körbchen, Kreuze…) verkauft.

Am Karfreitag steht traditionell der Kreuzweg am Kalvarienberg auf dem Programm und wir gehen diesmal auch mit.

Der Weg erstreckt sich über mehrere Kilometer und wird von diversen Verkaufsständen begleitet. Nachdem wir die letzte Station hinter uns gelassen haben, laufen wir noch ein Stück zur großen Jesusstatue hoch und schon von Weitem hören wir Musik und ein blechernes Geräusch, so als ob jemand ganz laut Nägel einschlagen würde… oh nein! Wir befürchten Schlimmstes – die werden doch nicht etwa…?
Als wir in Sichtweite des Geräuschs kommen, sehen wir, dass auf einer großen Leinwand ziemlich drastisch die Kreuzigungsszene gezeigt wird, anscheinend ein Ausschnitt aus einem modernen Jesus-Film. Die Stimmung der Szene ist naturgemäß sehr bedrückend, die dazugehörigen Dialoge und Musik dröhnen über Lautsprecher und zu allem Überfluss werden dem Ungläubigen, der neben Jesus am Kreuz hängt, von einem Raubvogel in Großaufnahme auch noch die Augen ausgehackt. Wir haben schnell genug und treten den Rückweg an!

Abends zieht zum Abschluss auch noch eine Karfreitagsprozession durch die Stadt.
Diesmal alles weniger blutrünstig, aber lautstark begleitet von einer in weiß gekleideten Blaskapelle. Vorneweg werden eine Jesus- und eine Maria-Figur auf Schultern durch die Straßen getragen, umgeben von Gläubigen, teilweise mit weißen, spitzen Kopfbedeckungen (erinnert etwas an den Kuklux-Clan). An den einzelnen Kreuzwegstationen wird angehalten und laut (mit Megaphon) gebetet.

Irgendwie schafft uns dieser Karfreitag in Sucre – wir brauchen dringend Tapetenwechsel und fahren am nächsten Tag weiter nach Potosí.

Potosí, nach La Paz die zweithöchst gelegene Stadt der Welt und ehemalige Schatzkammer Südamerikas. Sie liegt zu Füßen des Berges „Cerro Rico“ (4128 m), in dem im 16. Jahrhundert große Silbervorkommen entdeckt wurden.
Damit war das Schicksal von Potosí besiegelt: über die Jahrhunderte wurden über 46 000 Tonnen Silber aus dem Berg geholt (der Silberstrom füllte Spaniens leere Kassen) und es starben mehr als 9 Millionen Zwangsarbeiter (v.a. Indegenas) in den Minen.

1650 war Potosí die größte Stadt des amerikanischen Doppelkontinents und hatte mehr Einwohner als Madrid, Paris oder Rom zu jener Zeit! Vom ehemaligen Reichtum zeugen u.a. noch 36 Kirchen und viele andere koloniale Bauwerke.

Im Museum „Casa Nacional de la Moneda“ besichtigen u.a. wir riesige Holzmaschinen, die damals zum Prägen von Silbermünzen aus Spanien importiert wurden, Silberwalzen, Prägestempeln und diverse Objekte, die aus dem Silber Potosis hergestellt wurden.

Darstellung des Cerro Rico in Form der Jungfrau Maria.

 

 

Bolivien / Titicacasee

Über La Paz fahren wir Richtung Titicacasee. Aber wir kommen nicht sehr weit. Vor Achacachi erwartet uns unsere erste bolivianische „huelga“, d.h. unser erster bolivianischer Streik. Die Hauptstraße ist mit einer Barriere aus Steinen und Bauschutt gesperrt und eine Gruppe aufgebrachter bolivianischer Männer blockiert den Weg.
Als wir uns mit dem Auto nähern, fliegen schon die ersten Steine in unsere Richtung…

(Streiks sind in Bolivien ein gebräuchliches Mittel, um sich wirksam Gehör zu verschaffen. Das Problem hier in Achacachi ist der Bürgermeister, der Gelder veruntreut hat und die Interessen seiner Gemeinde mit Füßen tritt. Da er nicht zurücktreten will, ist die Wut der Bürger zurecht groß! Wie wir später erfahren werden, ist Achacachi für seine rabiaten Streiks (und diverse Formen der Selbstjustiz…) berüchtigt.)

Also, wir steigen nichtsdestotrotz aus dem Auto aus, signalisieren, dass wir den Streik respektieren und uns eigentlich nur informieren wollen, ob es nicht vielleicht eine Möglichkeit gibt, den Streik zu umfahren, weil wir ja weiter nach Sorata wollen. Und da Bolivianer im Grunde ihres Herzens wirklich nette Menschen sind, bekommen wir auch irgendwann einen entsprechenden Hinweis. Wir steigen wieder ins Auto, fahren einen Umweg durchs Grüne, sind auf den letzten Metern vor dem Ortseingang Achacachi, freuen uns schon, dass alles gut geklappt hat und was sehen wir, als wir um die Kurve kommen? Genau, die nächste Blockade!

Na super! Also das Ganze wieder von Vorne: wir steigen aus, erklären wo wir her kommen, wo wir hin möchten, dass wir über diese Route geschickt wurden, fragen, ob es nicht eine Alternativstrecke gäbe usw…
Nach einem kurzem Smalltalk wird uns wieder eine Umgehung genannt. Auf unsere kritische Nachfrage, ob da nicht doch wieder andere Streik-Kollegen stehen würden, erfolgt großes Gelächter. Nein, diesmal wäre das garantiert nicht so!

Und es stimmt. Wir können Achacachi tatsächlich (allerdings durch einen Fluss, s.u.) umfahren.

Auf unserem weiteren Weg treffen wir immer wieder auf Fahrzeuge, die uns zu aktuellen Streikposten und Umgehungsmöglichkeiten befragen, da sie auch an Achacachi vorbei müssen.

Und weiter geht´s.

Saarschleife?

Nach einer wunderschönen (aber stundenlangen) Serpentinenfahrt kommen wir in Sorata, am Fuße des Illampu (6368 m) an.
Das koloniale Dorf, ein ehemaliger Goldumschlageplatz, liegt auf einer angenehmen Höhe von 2650m. Früher trafen sich hier Goldsucher, Freiheitskämpfer und Kautschukbarone, heutzutage v.a. Bergwanderer und Bergsteiger.

Wir kommen etwas außerhalb des Dorfes im „Altai Oasis“ bei Jimmy und Roxanna unter.

Im Garten stehen Feigen-, Papaya-, Tumbobäume, überall blühen Fuchsien- und Hibiskussträucher, Kolibris fliegen von Blüte zu Blüte, die Vögel zwitschern, um uns herum hohe grüne Hügel, im Hintergrund blitzt bei klarem Wetter der schneebedeckte Illampu auf… – wirklich eine friedliche, grüne Oase!

Überraschenderweise (für uns) spricht Jimmy deutsch. Er erzählt uns, dass er als Deutsch-Bolivianer in Bolivien geboren und aufgewachsen sei. Als Jugendlicher ist er mit seinen Eltern nach München zurückgekehrt, hat dort die Schule beendet, studiert, gearbeitet. Die Wende in seinem Leben kam durch einen zweiwöchigen Urlaub in Bolivien: er hat sich verliebt und kurzentschlossen sein gesamtes Leben in Deutschland zurückgelassen, um in Bolivien eine neue Existenz aufzubauen, Familie zu gründen und seinen Hippie-Traum zu leben. Das sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen. Und immerhin gibt es das „Altai Basis“ jetzt bereits seit 35 Jahren!
Jimmy erzählt uns, dass das Dorf zu der Zeit, als sie hier anfingen, halb so groß gewesen sei und man in den ersten zehn Jahre das Wasser aus dem Fluss noch trinken konnte. Mittlerweile sei das leider nicht mehr möglich! Zum Einen, gäbe es hier viele Goldminen, die ihre Chemikalien in den Fluss ablassen und zum Anderen, gingen die Bolivianos – sagen wir mal so – etwas sorglos mit ihrer Umwelt um.
(Diese Beobachtung können wir leider bestätigen: Müll wird oft in die Gegend geworfen und der Ölwechsel bzw. das Waschen von Autos erfolgt gerne auch mal im Fluss. Obwohl überall Verbotsschilder stehen und Pachamama (Mutter Erde) eine große Rolle in der Tradition der Indegenas spielt, ist das Problem Umweltverschmutzung offenbar nur sehr schwer in den Griff zu bekommen!)

Zum Thema „Evo – Kunstrasenplätze -Telefericos“ meint er nur, dass er mal die Gelegenheit gehabt habe, Evo persönlich bei einem Besuch in Sorata zu fragen, warum er das Geld nicht in Krankenhäuser und Trinkwasser stecke. Die Antwort war: „Das ist ganz einfach: ich frage das Volk was es will, und wenn die Mehrheit des Volkes einen Kunstrasenplatz will, bekommt es einen Kunstrasenplatz!“

Kunstrasenplatz Sorata…

Da Sorata ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen ist, besuchen wir am nächsten Tag die Höhle „San Pedro“. Laut Sagen der Aymara, eine der größten Indegena-Gruppen Boliviens, soll der dazugehörige See eine direkte Verbindung zum Titicacasee haben.

Nach ein paar Tagen verlassen Sorata wieder und fahren über Achacachi weiter nach Copacabana, immer am Ufer des Titicacasees entlang.
(Der Streik in Achacachi wurde übrigens nach 4 Tagen beendet und der Bürgermeister ist letztendlich vor der Wut seiner Bürger nach La Paz geflohen…)

Reste der Blockade in Achacachi

In Tiquina, der schmalsten Stelle des Sees setzen wir mit einer klapprigen Fähre zur Halbinsel Copacabana über. Der Titicacasee ist mit seinen 8300 Quadratkilometern übrigens etwa 15 mal so groß wie der Bodensee!

Die Bemerkung des Fährmanns, dass der See hier 80m tief ist, trägt nicht wirklich zu unserer Beruhigung bei.

Das bolivianische Copacabana, heute ein wichtiger (katholischer) Wallfahrtsort, blickt auf eine über 3000jährige Geschichte als Zeremonial- und Kultzentrum zurück.

Nach dem Einfall der Spanier vermischte sich hier der inkaische mit dem christlichen Glauben, was auch heutzutage noch vielerorts, v.a. auf dem stadtnahem „Cerro Calvario“ (Kalvarienberg) zu beobachten ist.

 

Hier kann man sich Dinge, die man sich wünscht, für seinen persönlichen Opfertisch kaufen: Autos, Häuser, Geldbündel…
Anschließend erfolgt die dazugehörige Zeremonie unter Anrufung der Heiligen bzw. von Pachamam durchgeführt von einem Schamanen.

In der Basilika „Virgen de la Candelaria“ (Mariä Lichtmess) befindet sich neben der Jungfrau von Copacabana auch die wundertätige schwarze Madonna, deren Bildnis 1925 vom Vatikan heilig gesprochen wurde und zu der jährlich Tausende Gläubige pilgern.
(Die Jungfrau von Copacabana hat übrigens dem brasilianischen Strand seinen Namen gegeben und nicht umgekehrt.)

Wir landen mit unserem Auto im „Las Olas“.
Auch dieser Ort ist perfekt zum Verweilen: im Garten grasen Alpakas, zwischen Säulen sind bunte Hängematten gespannt, Liegestühle überall, es blühen Fuchsien und Trompetensträucher. Über die grüne Anlage verteilen sich originell gebaute Cabanas, teilweise in Schneckenform, mit Fensterfront zum See.

Und Martin, der Besitzer und Gestalter dieses schönen Fleckchens ist eine Seele von Mensch! Ursprünglich kommt er aus dem Ruhrgebiet, hat aber in Bolivien Familie gegründet und ist seit über 20 Jahren hier sesshaft. Er ist ein absolutes Sprachtalent und wechselt ohne mit er Wimper zu zucken fließend zwischen Französisch, Spanisch, Englisch und Deutsch!
Aber wir sind nicht zum Spaß hier.
Wir wollen die bolivianische Autoversicherung, die „Cha´lla“ abschließen.

Dazu bedarf es aber zuerst noch einiger Vorbereitung. Wohlüberlegt wählen wir Folgendes aus:
zwei rosa-rot-weiße Gladiolensträuße, eine gehäkelte Bordüre in bolivianischen Nationalfalben (gelb, grün, rot), Blütengirlanden in pink, ein kleines Schilfboot mit Blumen und lose, weiße Rosenblätter zum Werfen. Es fehlen noch bunte Plastikbommel und zum krönenden Abschluss befestigen wir noch eine Rosengirlande am Dach.

Ihr merkt schon, das ist keine gewöhnliche Autoversicherung:

bei der Cha´lla werden Fahrzeuge von einem katholischen Priester (gegen ein kleines Entgelt) vor der Basilika mit Weihwasser gesegnet. Man erhofft sich dabei, dass die Jungfrau von Copacabana Auto und Insassen ein Jahr lang vor Unfällen und Pannen schützt. Und da es sich dabei um eine feierliche Zeremonie handelt, werden die Autos vorher festlich geschmückt.

Explodierende Böller und Bierdusche dürfen auch nicht fehlen.
Dafür sorgen unsere netten Cha´lla-Nachbarn, die uns vorher noch eine bunte bolivianische Schleife als Geschenk an die Stoßstange binden und mit denen wir die Segnung gemeinsam feiern.

Nach der Zeremonie parken wir unseren geschmückten und gesegneten Cruiser wieder im „Las Olas“.
Nicht nur uns gefällt die Blumendeko – auch die Alpakas haben sie zum Fressen gern… !

Am nächsten Tag geht es weiter.
Wir schauen uns die Halbinsel Yampupata an und besuchen das Dorf Pukara, von wo aus wir einen schönen Blick auf die „Isla de la Luna“ haben.

Anschließend fahren wir nach Sicuani zu Hilario Pay Quispe und seiner Familie, seines Zeichens Schilfbootbauer. Hier können wir unser Auto für ein paar Nächte sicher stehen lassen, wir wollen nämlich zur (autofreien) „Isla del Sol“.

Aber zuerst verbringen wir einen Tag bei Hilario und Familie und beobachten das Landleben:
Um das Auto herum laufen Hühner, ab und zu treibt jemand ein paar Schweine oder Kühe vorbei, die Vögel zwitschern… alle paar Stunden mal ein Fahrzeug… der See glitzert friedlich vor sich hin. Alles ist ruhig.

  • Hilarios Frau flickt das Fischernetz. Hilario zeigt uns seine Postkartensammlung.
  • Hilarios Frau geht auf´s Feld und bringt einen Sack mit Quinoa nach Hause. Hilario sitzt vorm Haus und schaut, wer so vorbeikommt.
  • Hilarios Frau kocht Futter für die Schweine. Hilario füttert die Schweine.
  • Hilarios Frau geht auf´s Feld und erntet Kartoffeln. Hilario schaut nach, ob sie alles richtig macht.
  • Hilarios Frau kocht das Abendessen. Hilario plauscht mit seinem Bruder.
  • Hilarios Frau flickt die Wäsche. Hilario guckt Fernsehen.

Diese Arbeitsteilung ist für Bolivien ziemlich typisch …

Am nächsten Morgen werden wir um 4:00 von einem lauten Frühgebet geweckt. Es ist Hilarios Frau, die bereits wieder ihren Tag beginnt. Wir sitzen noch beim Frühstück, als sie mit frisch gefangenen Fischen vom See zurückkommt – diese Frau ist unglaublich!

Da wir zur Isla del Sol fahren, macht Hilario das Motorboot klar.
Mit dabei sind seine Frau, sein Sohn und zwei Nachbarinnen. Sie wollen auf einem Acker, der sich auf der anderen Seite der Halbinsel befindet, Kartoffeln ernten.
Bevor es richtig los geht, opfert Hilarios Frau dem See ein paar Cocablätter, um die Geister des Sees gnädig zu stimmen und spricht dazu ein kurzes Gebet. Dann steckt sie sich selbst noch ein paar in die Backe…

Im Südteil der Insel angekommen, wandern wir bei bestem Wetter los.
Die Sonne scheint, es ist warm, wir haben eine gute Sicht auf die Cordillera Real, die sich mit ihren schneebedeckten Gipfeln über dem dunkelblauen See erhebt.
Es fühlt sich fast so an, als würden wir auf einer Mittelmeerinsel wandern … allerdings ist das Wasser hier weniger als 10 Grad warm und die Lufttemperaturen liegen (v.a. nachts) ebenfalls oft weit darunter.

Die Isla del Sol ist die größte Insel im Titicacasee und galt den Inkas als Ursprungsort ihrer Kultur.
Auf dem knapp 4000m hoch liegendem Eiland gibt es neben Inkastätten aus dem 12.- 16. Jahrhundert sogar noch einige Ruinen und terrassierte Hänge, die der Tiwanakuzeit (1000 v. Chr. – 1000 n. Chr.) zuzuordnen sind.

Wir durchqueren die Insel von Süden nach Norden und übernachten im nördlichen Cha´llapampa.

Als wir am nächsten Morgen aufstehen, sieht der Himmel ziemlich grau aus.

Nicht nur das. Es weht ein ordentlicher Wind und es fängt an zu hageln.
Wir sind aber trotzdem optimistisch, vertrauen darauf, dass das Wetter bald besser wird und setzen unseren Plan, auf der Insel von Norden nach Süden zurückzuwandern in die Tat um.
Aber Pustekuchen!

Nach mehreren Stunden Wanderung auf knapp 4000 m kommen wir klatschnass bis auf die Unterwäsche (das ist nicht im übertragenen Sinne gemeint!) und tiefgefroren (das auch nicht!) im Südteil der Insel an. Und es gibt keinen einzigen Ort mit Heizung oder Ofen… und Hilario holt uns erst in zwei Stunden mit dem Boot ab!!!

Aber wir haben Glück im Unglück.
Die Sonne kommt raus. Und da Südamerika ein kalter Kontinent mit heißer Sonne ist, heizt sie in kurzer Zeit ordentlich ein.
Wir gehen ins nächstbeste kleine Restaurant, nasse Klamotten aus, Schlafanzüge an und Alles zum Trocknen über die Mauer.
Anschließend trinken wir Tee, essen eine heiße Suppe und schon sieht die Welt wieder ganz anders aus.
Allmählich können wir auch wieder fast alle Finger bewegen.

Nach einer Weile ziehen wir unsere (fast) trockenen Kleider wieder an und wandern zum vereinbarten Treffpunkt.
Hilario holt uns pünktlich ab, und als wir spätabends wieder im „Las Olas“ ankommen, den Kaminofen (!) anmachen können und mit Blick auf den Titicacasee unter der warmen, weichen Bettdecke liegen, fühlen wir uns wie im Himmel!!!

 

Bolivien/Südwest

In der Nähe von San Pedro de Atacama, am bolivianischen Grenzposten „Hito Cajones“ reisen wir nach Bolivien ein.

Unser erster Übernachtungsplatz liegt direkt auf 4400 m Höhe – das ist die niedrigst gelegene Möglichkeit, die wir hier jenseits der Grenze haben.
Die erste Nacht auf dieser Höhe wird wieder ganz schön kurz und unruhig! Immer wieder werden wir wach und haben das Gefühl, nach Luft schnappen zu müssen…
Tagsüber bewegen wir uns anfangs quasi im Schneckentempo, denn jegliche Bewegung strengt an. Wir trinken viel Wasser und Coca-Tee und bekommen damit unsere Kopfschmerzen erfolgreich in den Griff.

Aber das Gewöhnen an die Höhe ist nicht zu vermeiden, da wir in den nächsten Wochen im bolivianischen Hochbecken des Altiplano (3500m – 5000m) reisen möchten.

Uns erwartet die Lagunenroute im Südwesten Boliviens.
Sie erstreckt sich über 450 km und gilt laut Reiseführer als eine der spektakulärsten Hochlandstraßen der Welt – wobei der Begriff „Straße“ nur im übertragenen Sinne gemeint sein kann…
Die Piste ist einem miserablen Zustand: es geht über tief ausgefahrene Fahrspuren, Material zermürbende, wellblechartige Streckenabschnitte (später dazu mehr…) oder einfach über Steinfelder und Grasbüschel. Kurzum: es gibt größtenteils überhaupt keine erkennbare Straße.
Es bestünde auch die Möglichkeit, sich an eins der gelegentlich vorbeikommenden (und absolut schmerzfrei fahrenden!) Tourautos dran zu hängen – aber da müsste man geschwindigkeitsmäßig erst einmal mithalten können, wozu wir mit unserem Diesel-Fahrzeug auf dieser Höhe definitiv nicht in der Lage sind!

Vorbei geht es an der Laguna Blanca und der Laguna Verde (4350 m)…

 

… am auf 4780 m gelegenem Geysir „Sol de Manana“ und seinen blubbernden Lavaschlammlöchern vorbei…

 

 

… bis zur Laguna Colorada (4275 m) , in deren Nähe wir übernachten.

Die Laguna Colorada trägt ihren Namen zu Recht:
sie ist aufgrund ihrer kupferhaltigen Mineralien rot gefärbt, auf ihr schwimmen weiße Borax-Inseln und zusammen mit dem Blau des Himmels, den grünen Algen und dem goldenen Andengras ergibt das eine interessante Farbmischung. Außerdem grasen am Ufer zahlreiche Lamas mit hübschen, bunten Bommeln an den Ohren und im Wasser brüten verschiedene Flamingo-Arten.

 

 

Da die Piste immer schlimmer und die Steigungen immer steiler werden, können wir nur noch untersetzt weiter fahren und werden stundenlang ordentlich durchgerüttelt.

Es geht vorbei an Felsformationen, schneebedeckten Bergspitzen, über Stock und Stein…

… über weite Strecken ist keine Piste mehr zu sehen, sondern nur noch Dutzende ausgefahrener Fahrspuren, die kreuz und quer durchs Nichts führen.

Hmmm, welche könnte jetzt die Richtige sein? Wir vertrauen unserem Navi und hoffen, dass es den Weg kennt!

Am späten Nachmittag kommen wir in der Nähe von Alota an und schlagen unser Nachtlager auf einem verlassenen Hof auf.
Als wenig später eine traditionell gekleidete Bolivianerin ihre Lamaherde vorbei treibt, fragen wir sicherheitshalber nach, ob wir hier übernachten können.


Aus der Frage wird ein längeres Gespräch, das damit endet, dass wir ihr helfen, den noch fehlenden Lamas auf der anderen Straßenseite Beine zu machen. Mit den Worten „A casa, por favor!“ („Nach Hause, bitte“) treiben wir sie gemeinsam in den Stall.

Am nächsten Tag begutachten wir die Fahrschäden an unserem Cruiser:
unser Küchenmodul ist gewandert, der Zusatzstrahler vorne rechts abgebrochen… und die Führungsgummis der Stoßdämpfer sind auch durch.

Weiter geht es zum Salar de Uyuni.
Dieses Jahr steht die größte Salzfläche der Erde (160 km x 135 km) zum größten Teil unter Wasser, daher fahren wir nicht mit unserem eigenen Fahrzeug darauf.
Zu groß ist unsere Befürchtung, dass uns sonst der Boden unseres Cruisers komplett wegrostet und wir den Rest des Sabaticals wie Fred Feuerstein und Wilma (Wilmaaaaaa!) unterwegs sind.
Es gibt zwar eine spezielle Autopreparation für den Salar, die darin besteht, dass man den Unterboden mit Altöl abspritzt – aber davon sehen wir ab.
Bis zum Sonnenuntergang sind wir auf dem Salar unterwegs und es ist wirklich einmalig hier.
Der Salar ist v.a. für Japaner ein sehr beliebtes Urlaubsziel. Sie rücken in speziellen Kleidern und mit allen möglichen Accessoires zu Foto-Sessions an.

Auch wir sind schwer beeindruckt: die Spiegelungen auf der riesigen Salzfläche verwandeln die Umgebung in eine surrealistische Fototapete…

 

 

Bolivien

Bolivien:
das Land der bunten Märkte, sauerstoffarmen Luft (mehr als 1/3 liegt auf über 3600 m!), enormen Bodenschätze, Lamas mit Bommeln an den Ohren, Kunstrasenplätze, schönen Cholitas (Bolivianerinnen mit bunten, weit ausladenden Röcken und Hut auf dem Kopf), Mehrzweckhallen, Coca-Blätter, flächendeckenden Evo-Werbung, beeindruckenden Landschaften, traditionellen Bräuche und Schamanen wirkt auf uns sehr bunt und exotisch.

Die überdurchschnittlich häufig vorkommenden Kunstrasenplätze, Mehrzweckhallen und Telefericos (Seilbahnen) hat Bolivien seinem sich ständig im Wahlkampf befindenden aktuellen Präsidenten zu verdanken.
Statt in funktionierende Trinkwasserversorgung und gute Krankenhäuser zu investieren, widmet sich der Fußballfan bevorzugt anderen Themen und weiht als „Bürgermeister Boliviens“ wöchentlich neue Sportstätten ein oder eröffnet Feste… – jaja, der gute Evo Morales ist mittlerweile nicht mehr ganz unumstritten. Bisher hatten wir noch nie so oft das Thema Landespolitik wie hier in Bolivien!

Chile / großer Norden

Da unser Toyota dummerweise nur Platz für Zwei hat, wir ab jetzt aber zu Dritt unterwegs sind, mieten wir uns für die nächsten Wochen einen schicken „Wicked Camper“ an.

Immer Richtung Norden, der Pazifikküste entlang, fahren wir nach „Punta de Choros“.

 

Von dem kleinen Fischerdorf aus, machen wir einen Ausflug in das „Reserva Nacional Pingüinos de Humboldt“, einem Naturschutzgebiet in dem man neben kleinen Humboldt-Pinguinen, Seelöwen und mit etwas Glück auch Wale sehen kann.
Mit dem Boot geht es zur Insel Damas und wir haben Glück – in unserer Nähe blasen Wale ihre Fontänen in die Luft und tauchen kurz auf! Allerdings zu kurz zum Fotografieren…

Über die Küstenroute fahren wir weiter in den „Parque Nacional Llanos de Challe“.
An der schönen „Playa Blanca“ gibt es einen netten Campingplatz, an dem wir ein paar Tage bleiben. Das Meer ist strahlend blau, aber leider nicht zum Schwimmen geeignet: zu kalt und zu unberechenbar sind hier die Strömungen.

Ab jetzt steigen wir wieder die Höhe:
unser nächstes Ziel ist der „Parque Nacional Nevada de Tres Cruces“.
Der Park ist einer der schwieriger zu erreichenden Parks in den Hochlanden. Aber, wer es bis hierher schafft, wird mit spektakulären Landschaften, mit Bergen von über 6000m Höhe und mit einem Blick auf den höchsten aktiven Vulkan der Erde – dem Ojos del Salado belohnt.

Auf dem Weg dorthin, legen einen ersten Übernachtungsstopp auf 2700 m ein, um uns an die Höhe zu gewöhnen.

Am folgenden Tag fahren weiter wir zur Laguna Santa Rosa.
Sie liegt auf 3800 m und an ihrem Ufer tummeln sich zahlreiche Flamingos. Die Nacht ist sternenklar, aber eiskalt – uns gefriert das Trinkwasser in den Flaschen…im Auto…

 

Aufgrund der Höhenlage und der dadurch bedingten unruhigen Nacht sind wir alle ziemlich gerädert. Trotzdem geht es nach dem Frühstück zügig weiter Richtung „Paso de San Francisco“ (4800 m), denn dort wollen wir über die Grenze, um ein paar Tage in Argentinien zu verbringen.
Vorher passieren wir noch auf 4200 m die „Laguna Verde“, einen smaragdgrünen See, in dem es kaum Tiere gibt, weil der Salzgehalt des Wassers so hoch ist.

Nicht nur uns macht die die Höhe etwas zu schaffen, auch unser Cruiser ächzt vor sich hin: er qualmt in allen Farben und ab und zu fährt er unruhiger und holpriger als gewöhnlich.
Der angemietete Wicked Camper kämpft mehr mit den schlechten, unbefestigten Wegen als mit der Höhe und fährt zügig unserer kleinen Kolonne voran.
Ok. Was so ein kleiner Mitsubishi-Camper kann, kann ein Toyota schon lange! Fuß auf´s Gas und los! Schließlich wollen wir ja auch irgendwann mal ankommen.
Der Arme quält sich hoch und gibt lautstark alles – und es kommt wie es kommen muss…

… auf 4700 m gehen plötzlich sämtliche Warnlichter an…
… es riecht verschmort und sehr viel weißer Qualm quillt aus der Motorhaube….

!!! Vollbremsung!!!

… kurz warten…und Motorhaube auf…wir sind auf´s Schlimmste gefasst!

Ein prüfender Blick in den Motorraum zeigt:
beide Wasserschläuche haben sich komplett verabschiedet und sind samt Schlauchschellen abgesprungen!

Auwei! Eine Panne auf dieser Höhe… – uns brummt sowieso schon der Schädel und keine Menschenseele in Sicht!
Um uns herum nur viel blauer Himmel, sauerstoffarme Luft, viel Sand, Steine und hohe schneebedeckte Berge…
(Wer jetzt welches Auto gefahren hat, wird an dieser Stelle nicht verraten…)

Ok. es hilft alles nichts. Lenny geht erfolgreich auf die Suche nach den abgesprungenen Schlauchschellen, die Schläuche sind auch schnell gefunden (glücklicherweise noch ganz!), ich fülle ein paar Wasserflaschen, Burkhard & Lenny basteln alles wieder zusammen und schütten fehlendes Wasser nach.

Alles ist jetzt repariert und mit Spannung erwarten wir den großen Moment….
… sicherheitshalber reden wir unserem Cruiser vorher noch gut zu und streicheln ihn ein wenig…
… Zündung an…
… und…
… der Cruiser läuft wieder!!! Gutes Auto!!!
(Wer an dieser Stelle glaubt: DIE haben aber viele Probleme mit ihrem Cruiser, sollte sich mal Reiseberichte von Landrover-Besitzern anschauen…)

Ab jetzt fährt Burkhard den Cruiser.
Es geht die letzten hundert Höhenmeter langsam und vorsichtig bis zum Paso de San Francisco weiter. Diesmal ist die Klimaanlage aus- und die Heizung angeschaltet.
Erfolgreich passieren wir die Grenze nach Argentinien.
Der Cruiser stinkt zwar immer noch ziemlich versengt, aber er fährt sich normal und scheint keine größeren Schäden davon getragen zu haben!

Allmählich können wir die tolle Landschaft wieder genießen und aufgrund der niedrigeren Höhe (und der Tatsache, dass wir keinen Kolbenfresser haben) auch wieder besser durchatmen.

Wir folgen der „Ruta de Seimiles“, Straße der Sechstausender, mit spektakulären Ausblicken auf 14 der 16 höchsten Berge Südamerikas…


Am Abend kommen wir total erschöpft im argentinischen Fiamballa an, gönnen uns ein Bad in einem der warmen Thermalbecken und fallen anschließend todmüde ins Bett – was für ein Tag!!!
Den folgenden Tag nutzen wir zum Cruiser checken, Wäsche waschen, Baden in den Thermen und Ausruhen.

Weiter geht es durch die schönen nordargentinischen Provinzen Tucuman, Salta und Jujuy.
Wir legen wieder einen Zwischenstopp in Cafayatte ein, fahren über die Quebrada de Cafayatte nach Salta…

… und von dort aus in die Schlucht der Farben, die „Quebrada de Humahuaca“.
In Purmamarca, einem kleinen Ort mitten in der Schlucht, verbringen wir einige Tage und machen Ausflüge in die Umgebung.

Auf dem Campingplatz lernen wir Deivi & Carol samt Töchtern kennen. Sie stammen aus Kolumbien, wohnen und arbeiten aber zur Zeit in Ecuador und sind zu Viert mit ihrem Fiat 147 und selbstgebasteltem Anhänger in Argentinien unterwegs. Eigentlich befinden sie sich auf dem Rückweg nach Ecuador, aber da sie leider ein Problem mit dem Motor haben, sind sie in Purmamarca hängengeblieben…
Wir kommen schnell in Kontakt und können vollen Herzens mitfühlen… mit Motorproblemen kennen wir uns bestens aus! Zum Trost gibt´s abends ein gemeinsames Essen mit Fernet-Cola. Geteiltes Leid ist halbes Leid!

 

Deivi erzählt uns, dass er und Carol als Friseure arbeiten. Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit unterrichtete er auch angehende Friseure und Stylisten (deshalb haben sie auch ein bisschen Zeitdruck, da er rechtzeitig zu Schuljahresbeginn wieder in Ecuador sein muss…).
Als er uns Fotos von seiner Arbeit zeigt, fallen wir fast vom Hocker: Deivi und Carol stylen Models für Hochglanzmagazine, Videos, Modeschauen u.ä. – teilweise mit sehr ausgefallenen Frisuren, Bodypainting und allem Pipapapo!

Da wir zeitnah auf der chilenischen Seite unseren „Wicked Camper“ abgeben müssen, haben wir mittlerweile auch etwas Zeitdruck.
Um nach San Pedro de Atacama zu kommen, müssen wir wieder über die Hochanden fahren und zwar über den Paso de Jama (4700m).
Diesmal sind wir besser gegen die Höhe gewappnet. In unserem Gepäck befinden sich jetzt: Coca-Blätter, -Bonbons und -Tee.
Ganz leise werden Erinnerungen an die vorangegangene Passüberquerung wieder wach…mal schauen…

Aber unser guter Cruiser tuckert unaufgeregt und brav alle Serpentinen hoch und wieder runter!

Wir passieren den Zoll (die Formalitäten dauern diesmal schlappe zweieinhalb Stunden), fahren durch Schneeschauer, an Salzlagunen vorbei und kommen im Regen in der Atacama-Wüste, eigentlich eine der trockensten Wüsten der Welt, an.

Am späten Nachmittag geben unseren „Wicked Camper“ in San Pedro de Atacama ab und suchen uns vor Ort eine feste Unterkunft.

San Pedro de Atacama, eine kleine Siedlung mit etwa 1000 regulären Einwohnern, liegt in einer fruchtbaren Oase und war schon lange vor Ankunft der Spanier ein wichtiges Zentrum für die Indios.
Das heutige San Pedro stammt größtenteils aus der Zeit um 1760.

Von hier aus machen wir verschiedene Ausflüge vor Ort.

Einer dieser Ausflüge führt uns zu einem der schönsten Naturerlebnissen Chiles:
und zwar auf das 4.320 m hoch gelegene Geysirfeld Tatio, das ca. 100 km von San Pedro entfernt liegt. Da die Dampffontänen nur in der Morgendämmerung zu sehen sind, beschließen wir auf halber Strecke die Nacht zu verbringen und morgens früh weiterzufahren. Wir haben im Fahrzeug nur zwei Schlafgelegenheiten und so wird dies eine reine Vater-Sohn-Veranstaltung.


Auf dem Weg zu unserer Übernachtungsstelle auf 3300 m nehmen wir beim Trampen den Bauer Bartolomeo mit. Er will seine Ziegen in den Bergen zusammentreiben, um sie vor dem sich ankündigenden Gewitter zu schützen.
Welches Gewitter? Es sieht überhaupt nicht nach Regen aus… Wir wählen aber dennoch einen sicheren Übernachtungsplatz, auf dem wir nicht von herabstürzenden Wassermassen überrascht werden können.
Nach einer kleinen Wanderung in der näheren Umgebung gehen wir früh ins Bett – wir müssen ja um 4:30 Uhr schon wieder weiter … und der Weg soll nicht der Beste sein…
Die Nacht ist sehr kurz. Um uns herum donnert und blitzt es – aber wir sind aber selbst nicht vom Unwetter betroffen.

Am nächsten Morgen fahren in absoluter Dunkelheit und bei Nebel los. Der Weg wird immer schlechter, der Nebel immer dichter und es geht nur noch im Schritttempo voran.
Lenny leuchtet mit der Taschenlampe die rechte Wegseite ab, damit wir nicht den Abhang runter fahren. Hier nutzen selbst meine tollen LED-Scheinwerfer nix! Nach ca. 3,5 Stunden kommen wir endlich am Geysirfeld an und werden von den freundlichen Parkwächtern mit einem gewissen Erstaunen begrüßt: Wie habt Ihr den Weg hier herauf fahren können? Ist der Weg überhaupt noch zu befahren?

Wie dem auch sei – wir sind jedenfalls an diesem Tag so ziemlich die Einzigen und können ungestört unseren Plan umsetzen und ein paar Eier (in Herrensocken, Größe 44) im sprudelndem Geysirwasser zum Frühstück kochen.

 

Auf dem Rückweg nach San Pedro sehen wir jetzt erst bei Tageslicht, dass der Weg an einigen Stellen weggespült ist…. und der Cruiser hat uns bei Nacht und Nebel trotzdem sicher durchgeführt. Gutes Auto!

Bei einem kurzen Abstecher in ein Seitental können wir entlang des Flusslaufs etliche Tiere beobachten …

Vizcacha – eine Chinchilla-Art… sieht Vorne aus, wie ein Kaninchen, hinten hat´s einen Ringelschwanz und hüpft wie ein Känguru…

 

 


Zu guter Letzt machen wir noch bei Bartolomeo einen kurzen Halt und kaufen 2 kg äußerst leckeren Ziegenkäse – er konnte seine Tiere noch rechtzeitig in Sicherheit bringen!

 


Ehe wir uns versehen, ist die gemeinsame schöne Reisezeit mit Lenny schon zu Ende und wir müssen ihn wieder zum Flughafen (diesmal nach Calama) bringen, von wo aus er über Santiago den Rückflug nach Deutschland antritt. Tschüss Lenny!

Da das Wetter in San Pedro besser geworden ist, bleiben wir noch einige Tage und schauen uns anschließend noch ein bisschen in der Gegend um.
Wir besuchen u.a. ein kleines, aber sehr interessantes Meteoritenmuseum, die „Cordillera del Sal“ und das „Valle de la Luna“.

 

 

 

Chile / Mitte

Von Puerto Montt aus geht es in den „kleinen Süden“: in das Land der Araukarien, Vulkane und Seen. Es ist auch das Gebiet der Mapuche, die hier bis heute um ihr Land kämpfen.

Am Westufer des Lago Llanquihue fahren wir bis nach Frutillar.

Frutillar ist der Einfluss der deutschen Auswanderer, die sich hier Ende des 19.Jahrhunderts niederließen, anzusehen:
in den Vorgärten stehen Gartenzwerge, die Häuser sind pittoresk herausgeputzt und nachmittags gibt es vielerorts Kaffee und Kuchen.

Wir kommen zufällig in der Zeit der „Semanas Musicales“ an und damit in den Genuss, zwei klassische Konzerte im „Teatro del Lago“ zu besuchen.
Der Bau aus Glas und Holz direkt am Ufer des Sees mit Blick auf den Vulkan Osorno ist beeindruckend schön und hat eine tolle Akustik!

Beim abendlichen Konzert treffen wir auf Gabi, Jürgen, Conny und Georg aus Deutschland.

Wir tauschen uns über Reiseerfahrungen in Südamerika aus und bewundern am nächsten Tag gegenseitig unsere Reisemobile.
Über Gabi und Jürgen, die beide ebenfalls einen alten Toyota fahren, bekommen wir Kontakt zu Edgardo, einem absolut toyotabegeisterten Chilenen. Und da wir wieder ein klitzekleines Problem mit unserem Landcruiser haben (Zwischenfall mit einer Gabione…), setzen wir uns kurzerhand mit ihm in Verbindung. Später dazu mehr.

Leider sind aufgrund der zahlreichen Waldbrände die meisten Nationalparks in diesem Sommer in Zentralchile geschlossen.
Daher fahren wir auf Empfehlung (s.o.) zunächst einmal weiter nach Villarica und übernachten dort am Fuß des gleichnamigen Vulkans.
Der Vulkan kam Anfang 2015 in den Schlagzeilen, als er spektakulär ausbrach: Asche, Lava, Rauch flogen weit durch die Luft, Gegenden am Fuß des Vulkans wurden evakuiert. Er ist weiterhin aktiv, was nachts besonders schön aussieht, wenn rötlicher Rauch aus dem Krater aufsteigt und sich darüber der sternenklare Nachthimmel spannt (leider mit unserer Kamera nicht zu fotografieren…)- aber der Anblick tagsüber ist auch nicht schlecht!

Über Temuco, dessen berühmten Markt wir leider nicht besuchen können, da er in diesem Jahr abgebrannt ist, geht es weiter nach Concepcion.

Concepcion ist die zweitgrößte Stadt Chiles und das wichtigste Industriezentrum des Landes.
Die Geschichte Concepcions ist lang und voller Katastrophen: Mapuche-Aufstände und immer wieder schwere Erdbeben haben kaum etwas von der historischen Substanz der Stadt, die immerhin schon 1550 gegründet wurde, übrig gelassen. Als würde das nicht schon reichen, ist Concepcion natürlich auch von den aktuellen Waldbränden betroffen! Am Stadtrand sind verkohlte Baumstämme und Felder zu sehen… wir werden später erfahren, dass noch bis vor ein paar Tagen dicker Qualm über der Stadt lag.

In Concepcion wollen wir uns mit Edgardo, dem Fachmann für alte Toyotas treffen. Vermutlich muss der Führungsarm am Cruiser gerichtet bzw. ersetzt werden und wir erhoffen uns von ihm Hilfe.
Da Concepcion ziemlich groß ist, wählen wir als Treffpunkt ein großes Einkaufszentrum, müssen aber feststellen, dass es davon mehrere in der Stadt gibt, das dazugehörige WIFI nicht funktioniert, unsere chilenische SIM-Karte zu allem Überfluss auch noch spinnt…aber irgendwie findet uns der gute Edgardo nach einigem Hin und Her trotzdem!

Mit seinem alten VW-Käfer fährt er auf dem Parkplatz vor, begrüßt uns kurz, legt sich direkt unter unser Auto, begutachtete den Schaden, geht an seinen Kofferraum und und holt dort einen gebrauchten „ Führungsarm“ raus. Ist zwar von einem 80er-Modell, müsste aber nach seinem Wissen und nach einer ausführlichen Recherche in diversen Internetforen auch für unseren HZJ 78 passen – hat er kurzerhand über einen Freund in Valparaiso organisiert.

Edgardo ist unser Sechser im Lotto!!! Er ist nicht nur ausgesprochen nett und hilfsbereit, zeigt uns die Gegend und lässt uns auf seinem Grundstück übernachten, sondern verfügt auch über unglaubliche Fachkenntnis, viele Kontakte und kennt eine Werkstatt, die den Schaden beheben kann. Wir sind restlos begeistert!

Den nächsten Tag verbringen wir gemeinsam in der Werkstatt: der Querlenker wird ausgebaut, das gebrauchte Ersatzteil passend gemacht, die Spurstange gerade gebogen, alles wieder zusammengebaut, zwischendurch baut ein Werkzeugmacher uns ein passendes Werkzeug…

Vorher

Nachher

In einem ruhigen Moment nimmt mich der Chef der Werkstatt zur Seite und fragt mich, ob wir überhaupt wüssten, wieviel Glück wir hätten: Edgardo sei chileweit der Einzige, der besondere Toyota-Ersatzteile besorgen könne und über das nötige Wissen verfüge, was wie wo passt. Außerdem sei es normalerweise schwer, ihn überhaupt zu fassen zu bekommen – sein Spitzname sei „Fantasma“, da er überall und nirgends sei.


Ja, wir wissen wieviel Glück wir mit ihm haben!
Nach einem halben Tag in der Werkstatt ist alles repariert: unser Cruiser lenkt sich wieder wie gehabt. Wir verabschieden uns dankbar und fahren weiter in Richtung Landeshauptstadt. Santiago wir kommen!

Santiago de Chile: Hauptstadt Chiles und sowohl geografisch als auch kulturell das Zentrum des Landes. Hier leben mehr als 6 Millionen der knapp 18 Millionen Chilenen.

Unsere Anlaufstelle in Santiago ist der Stadtteil Maipu, wo die Eltern unseres Freundes Daniel wohnen.
Obwohl Nora und Victor uns nicht wirklich kennen und keine Ahnung haben, was auf sie zukommt, werden wir sehr herzlich und offen aufgenommen!
Vor dem Abendessen gibt es zuerst einmal einen von Victors berühmten Pisco Sours – sehr lecker!

Am nächsten Tag fahren wir gemeinsam zum Flughafen.
Wir holen dort Lenny ab, der uns in unserem Sabatical besucht und mit uns die nächsten vier Wochen reisen wird.

Die Zeit bei Nora und Victor vergeht wie im Fluge!
Sie kümmern sich rührend um uns Drei: zeigen uns die Sehenswürdigkeiten Santiagos, bekochen uns, Victor organisiert u.a. einen Revisionstermin in der KFZ-Werkstatt, Nora bessert für uns uns ein paar Kleidungsstücke aus, wir bekommen Hilfe beim weiteren Organisieren unserer Reise u.v.m.!

 

Als kleines Dankeschön, werden die beiden an einem Abend zur Abwechslung mal von uns bekocht!

 


Karamba, was für eine schöne Zeit mit zwei liebenswerten Menschen, guten Gesprächen, viel Spaß & leckerem Pisco!!!

 

Und schon geht´s wieder weiter.
Valparaiso wartet auf uns. Ist vielleicht nicht die schönste Stadt Chiles, aber auf jeden Fall interessant und durch die zahlreichen Graffittis ziemlich bunt. Hier liegt der wichtigste Frachthafen Chiles.

Das Beste an Valparaiso sind seine Hügel, von denen man die pazifische Bucht bis zum Nachbarort Vina del Mar überblicken kann.


Mit Fahrstühlen, die Passagiere in einer Art Zahnradbahn bergauf und bergab transportieren, besuchen wir die verschiedenen Stadtviertel. Vom Paseo Garvasoni, mit seinen historischen Häusern aus dem 19. Jahrhundert bietet sich ein schöner Blick auf die Stadt.

Nach drei Tagen verlassen wir Valparaiso mit gemischten Gefühlen: da es ein touristischer Hotspot ist, haben wir hier auch Touristennepp erlebt… d.h. überzogenen Preisvorstellungen und ein paar „merkwürdige“ Begegnungen… Schade! Diese Erfahrung mussten wir bisher auf unserer gesamten Reise noch nirgends machen!

Zurück geht es nach Santiago, um einen zweiten Camper anzumieten, denn wir wollen zu Dritt weiter in den großen Norden reisen und müssen dafür entsprechend mobil sein.

Chile / großer Süden

Wir kreuzen die Grenze bei Cerro Castillo und fahren über die „Ruta al fin del mundo“ („Straße am Ende der Welt“) ins südchilenische Puerto Natales.

Das kleine Städtchen liegt malerisch an einem Fjord mit Blick auf die patagonischen Anden.

Unser Ziel ist der Nationalpark „Torres del Paine“.
Bedingt durch das nahe Inlandseis gibt es hier ausgeprägte Mikroklimate: während die Steppe im Osten in strahlenden Sonnenschein liegt, kann es wenige Kilometer westlich heftig regnen oder hageln. D.h. u.U. erlebt man alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag.
Die Landschaft wurde von den Eismassen des großen „Campo Hielo Sur“ modelliert, das während der letzten Eiszeit wie ein Panzer über dem Land lag. Nur die höchsten Gipfel ragten aus dem Eiskuchen, so dass das weichere Sedimentgestein erodierte, während der harte Granit stehenblieb. Inzwischen hat sich das Eis bis auf vier Gletscher zurückgezogen.

Auf mehreren Wanderungen können wir die raue Schönheit des Parks und natürlich die markanten Granitnadeln, die zweifarbigen Torres und Cuernos del Paine, bewundern.

 

Da wir weiter auf chilenischer Seite über die berüchtigte „Carretera Austral“ bis nach Puerto Montt fahren wollen, müssen wir einen ca. 700 km langen Umweg über Argentinien in Kauf nehmen.Hört sich merkwürdig an, ist aber so.

Es fehlt nämlich ein kleines (ca. 30 km) aber entscheidendes Verbindungsstück vom chilenischen NP Torres del Paine zur chilenischen Carretera Austral, das vom Nationalpark aus zwar gewandert oder geritten, aber leider definitiv nicht mit dem Auto gefahren werden kann…
(Die einzige Möglichkeit, sich die Fahrt durch die argentinische Pampa zu sparen, wäre eine Autofähre, die seit diesem Jahr Puerto Natales mit Puerto Yungay verbindet – aber diese Fähre ist leider schon seit Monaten ausgebucht.)

Ok. Also steigen wir wieder in den Cruiser und fahren zwei Tage lang durch die Pampa zurück…

Bevor wir endlich die Grenze am einsamen „Paso de Roballos“erreichen, verbringen wir noch eine Nacht in der Wildnis.

Das Grenzhäuschen liegt mitten im Nichts und wird von zwei argentinischen Grenzbeamten verwaltet. Nachdem die Formalitäten erledigt sind, nehmen wir einen netten Jogger mit, der eine Mitfahrgelegenheit sucht. Der argentinische Zollbeamte zwinkert uns zu und bemerkt, dass uns gerade die Ehre zuteil wird, den Chef des lokalen chilenischen Grenzbatallions zu transportieren.
Und so lernen wir Claudio kennen.
Und es stimmt. Claudio ist Chef des gesamten Militärstützpunkts, der genau aus einer Person, nämlich aus ihm, besteht. Er hält hier auf chilenischer Seite die Stellung für sein Vaterland: d.h. er kümmert sich um sämtliche Gebäude, pflegt die Außenanlagen, schaut, dass alles funktioniert. Vor Jahrzehnten war dieser Militärposten mal mit Dutzenden von Soldaten belegt, aber schon seit geraumer Zeit lebt und arbeitet er hier alleine.

Um nicht total zu versauern, joggt er regelmäßig zu den benachbarten Grenzhäuschen, um hie und da mal ein Schwätzchen zu halten oder einen Mate zu trinken.
Als Dank fürs Fahren, lädt Claudio uns zum Frühstück ein. Da sagen wir nicht Nein! Über eine Stunde lang tauschen wir uns aus und Claudio bedauert, dass die Touristen, die hier vorbeifahren leider nie anhalten. Wir wären die ersten, die ihn besuchen. Auf unseren Vorschlag hin, doch ein Schild mit „Hier gibt´s Frühstück“ hinzustellen, schüttelt er den Kopf. Das darf er dann doch nicht. Schade eigentlich!

Weiter geht es zum nächsten chilenischen Nationalpark. Unterwegs läuft uns schon mal ein kleines Gürteltier über den Weg.

Nach ein paar Kilometern legen wir einen kleinen Zwischenstopp ein und pflücken Calafate-Beeren für unser Müsli. Die Beeren schmecken wie eine Mischung aus Heidelbeeren und schwarzen Johannisbeeren, haben allerdings ziemlich viele Kerne. Man sagt, wer je Calafate gegessen hat, wird immer wieder nach Patagonien zurückkehren…

Der „Parque Patagonia“ liegt wunderschön zwischen sanften grünen Hügeln mit Blick auf schneebedeckte Berge und Unmengen von Vicunas.
Es gibt zahlreiche Wanderwege zu Wasserfällen und Lagunen.

Er ist ein Projekt der Witwe von Douglas Tompkins (Gründer von Northface und Esprit) und zur Zeit noch in privater Hand. Geplant ist aber, dass sich dieser Park in naher Zukunft binational über Chile und Argentinien erstrecken und dann in staatliche Hand übergeben werden soll.

Auf dem Campingplatz müssen wir uns wieder etwas genauer mit unserem Cruiser befassen und erregen damit die Aufmerksamkeit von Fernando und Andrea aus Buenos Aires, die hier ebenfalls zelten.
Wir kommen ins Gespräch und Fernando erzählt, dass er einen alten Landrover besitzt, an dem er auch immer wieder was schrauben muss. Über die paar Tropfen Ölverlust, die wir vermuten, kann er nur müde lächeln. So was sei doch ganz normal, kein Grund zur Sorge…immer diese überbesorgten Deutschen… – ob wir übrigens die Folge der Simpsons über die überbesorgten Deutschen kennen würden…wäre total super…
Wir verabreden uns kurzentschlossen für später im parkeigenen Restaurant und verbringen einen sehr vergnüglichen und kurzweiligen Abend mit den beiden.

Als wir am nächsten Morgen aufstehen, blickt uns eine sehr dicke, sehr dunkle Wolkenwand drohend entgegen. Das sieht nicht gut aus – eigentlich wollten wir die Lagunenwanderung machen, aber angesichts des Wetters sehen wir davon ab… zu präsent haben wir noch die Schilderung von Fernando und Andrea im Ohr, die am Tag davor selbige Tour fünf Stunden im Regen gewandert sind…

Also fahren wir mit dem Cruiser weiter und erreichen am Parkausgang die Carretera Austral. Sie scheint ihrem Ruf, ein richtiges Regenloch zu sein, alle Ehre zu machen!

(Kleiner Exkurs „Carretera Austral“ (Ruta 7): ursprünglich ein Projekt des Diktators Pinochet, der damit weite Teile Nordpatagoniens erschließen wollte, die bis dahin nicht oder nur mit Schiff zugänglich waren. Begonnen wurde mit dem Bau der 1240 km langen Straße in den 70ger Jahren, zahlreiche Flüsse und Bäche mussten dabei überbrückt werden und mittlerweile ist sie bis zu zu 40% asphaltiert. Da die chilenischen Regierung die gesamte Strecke bis 2019 asphaltiert haben möchte, gibt es z. Zt. unterwegs entsprechend viele Baustellen.)

 

Es geht (im Regen) vorbei an Wäldern, Baustellen, Moorlandschaften, Baustellen, grünen Gletscherflüssen, Baustellen bis zum Lago General Carrera.

Dort übernachten wir in Puerto Rio Tranquillo auf einem ziemlich gut besuchten Campingplatz – hier soll es die beste Internetverbindung im Dorf geben. Das stimmt zwar, aber dafür muss man schon morgens um 5:30 online gehen, bevor die übrigen Gäste wach sind, sonst ist das Netz nämlich komplett überlastet und nichts geht mehr!

Per Boot machen wir am nächsten Morgen einen Ausflug zu den „Capillas de Marmol“.

Weiter geht´s über Villa Cerro Castillo und Coyhaique (wo wir unsere Fährtentickets für ein Teilstück der Carretera Austral kaufen) in den Parque Nacional Queulat mit seinem dichten, grünen Urwald, Flüssen und Gletschern.

Wir wandern hier zum Highlight der Region: dem Gletscher „Ventisquero Colgate“, der mehrere hundert Meter drohend über einem Gletschersee hängt.

Der Weg dorthin führt zunächst über eine Hängebrücke, dann durch dichten patagonischen Regenwald immer berghoch und diesmal wandern wir wirklich fünf Stunden im Regen.

Leider ist der Blick auf den Gletscher aufgrund der Wetterlage ziemlich bescheiden, aber auf dem Rückweg entdecken wir immerhin ein paar große, rotköpfige Spechte in den Baumkronen.

Am Lago Yelcho vorbei geht es nach Chaitén, dem Ort der 2008 wegen eines Vulkanausbruchs komplett evakuiert, anschließend vollständig zerstört und daraufhin wieder an selbiger Stelle komplett aufgebaut wurde.

Wir wollen weiter zum nördlich von Chaitén gelegenen Parque Pumalin, einem der größten privaten Naturschutzparks der Welt, ebenfalls gegründet von dem verstorbenen nordamerikanischen Millionär Douglas Tompkins.
Ziel des Parks war u.a. der Schutz der patagonischen Regenwilder – daher hatte Tompkins zu Beginn seines Engagements gegen heftigen Widerstand der Holzindustrie zu kämpfen, die natürlich um ihre Pfründe fürchteten.

Auf über 2900 qkm erstrecken sich fast unberührter Wald, Flüsse, Gletscher, Fjorde, Wasserfälle und Vulkane.
Ebenso vielfältig wie die Landschaft, sind auch die Wandermöglichkeiten.
Der „Sendero los Alerces“ führt z.B. durch einen tausendjährigen Alercenwald, überall wachsen filigrane Moose und Farne.

Mit der Fähre geht es von Caleta Gonzalo, dem touristischen Zentrum des Parks, über einen Fjord weiter bis nach Hornipirén – dieser Teil der Strecke gehört auch zur Carretera Austral, eine alternative Straßenverbindung gibt es hier nicht.


Unterwegs beobachten wir Pelikane und hin und wieder Pinguine, die sich von den Wellen hin und her schaukeln lassen.

Das letzte Teilstück der Carretera Austral bis Puerto Montt fahren wir wieder auf dem Landweg und lassen damit den wilden, regenreichen und unberührten großen Süden Chiles hinter uns.