Also, das mit der Kommunikation auf dem Frachtschiff ist, wie bereits erwähnt, so eine Sache für sich.
Zum einen hat man ein Sprachengewirr babylonischen Ausmaßes, das sich dadurch verschärft, dass die Sprache, die als „Verkehrssprache“ fungiert (in diesem Fall Englisch), nur mehr oder weniger gut beherrscht wird. D.h. schlechtes italienisches Englisch trifft u.U. auf mäßiges französisches, deutsches, spanisches, bulgarisches, philippinisches und/oder serbisch-schweizerdeutsches Englisch. Was wiederum bedeutet, dass das Prinzip „Stille Post“ hervorragend funktioniert. Quasi Stille Post für Fortgeschrittene. Zwischendurch kursieren auf allen Ebenen die wildesten Gerüchte.
Erstaunlicherweise waren sich aber alle, vom bulgarischen Ingenieur bis zum philippinischen Matrosen, über den Geisteszustand unseres Chiefmates einig.
Um wieder unseren italienischen Stewart Giovanni zu zitieren: „Chiefmate is totally crazy!!!“ (+ dazugehörige rollende Augenbewegung und kreisender Zeigefinger in Schläfennähe).
Und wahrlich, die zwischenmenschlichen Fähigkeiten unseres Chiefmates sind durchaus ausbaufähig.
Wie soll ich ihn beschreiben?
Er sieht aus wie ein Mischung aus George Clooney und John Cleese, regt sich auf wie Louis de Finès, ist so launisch wie Klaus Kinski und gestikuliert wie das italienische Pausenfüller-Strichmännchen La Linea bzw. Lui (das mit der großen Nase aus dem Vorabendprogramm der 80ger, wisst ihr, wen ich meine?). Ich habe noch nie jemanden gesehen, dessen Gesichtsausdruck sich dermaßen schnell von freundlich in Richtung verachtend und wieder zurück verwandelt, ohne, dass er das irgendwie unter Kontrolle zu haben scheint. Vom psychologischen Standpunkt aus gesehen äußerst interessant, aus Angestelltensicht (immerhin ist er in der Frachtschiff-Hierarchie ziemlich weit oben) eine absolute Katastrophe!
Beispiel gefällig? An unserem letzten Tag wurden alle Passagiere um 7:00 (!) – normalerweise ist Frühstück ab 7:30 – hektisch geweckt, mit der Aufforderung jetzt und sofort das (gepackte!) Auto von Bord zu fahren. Aha. Interessant. Allerdings war niemand darüber informiert. Hätte man ja mal am Tag vorher machen können (v.a., da der Chiefmate am Abend vorher, als er an unserem letzten bunten Abend für Passagiere die offene Tür unseres Aufenthaltsraumes passierte, den Kopf reinsteckte und allen zuwinkte). Der arme bulgarische Kadett, der uns aufscheuchen musste, entschuldigte sich tausendmal bei uns (s.o.: „Chiefmate is totally crazy!“ usw.) und versuchte netterweise Zeit herauszuschinden – aber über sein Walkie-Talkie konnte man das hysterische Gebrülle des Chiefmates hören, dem alles nicht schnell genug ging… Gott sei Dank waren wir aber nach 5 Wochen Frachtschifffahrt mehr als tiefenentspannt, so dass wir über die abstruse Situation ziemlich lachen mussten und unsererseits versuchten, den armen bulgarischen Kadetten zu entstressen.
Daher ist es verständlich, dass die Crew an Bord möglichst wenig miteinander redet (Ausnahme: Giovanni – Stichwort: wilde Gerüchte…) und das Nötigste mit Symbolen und Gebärden (Unterstützte Kommunikation! Gruß an die Kolleg-en und -innen!) in Form von Plakaten und Aufklebern geregelt ist – damit erspart man sich ggf. nämlich jede Menge sinnloses Gebrüll.